Einmal Sowjetunion, bitte!

■ Weißrussisches Wahlergebnis

Warschau (taz) – Selbst Jelzins Unterstützung hat dem weißrussischen Premierminister und Präsidentschaftskandidaten Wjatscheslaw Kebitsch nichts geholfen: Nach ersten inoffiziellen Auszählungen ist sein Herausforderer Aleksander Lukaschenko Sieger der ersten Runde der weißrussischen Präsidentschaftswahlen. Mit etwa 45 Prozent bekam er mehr als doppelt so viele Stimmen wie Kebitsch.

Unmittelbar vor den Wahlen am Donnerstag hatte das staatliche Fernsehen in Minsk noch eine Reportage über Lukaschenko ausgestrahlt, in der ihm Diebstahl an Stewardessen bei einer offiziellen Reise vor zwei Jahren vorgeworfen wurde. Die dabei auftretenden Zeugen konnten allerdings nicht erklären, warum ihnen diese Episode erst mit zweijähriger Verspätung eingefallen war. Lukaschenko verdankt seine Popularität einer Anti-Korruptions-Kampagne, der Anfang des Jahres sogar der frühere Parlamentspräsident Schuschkjewitsch zum Opfer gefallen war.

Der Wahlsieger Lukascheno tritt noch vehementer als der derzeitige Amtsinhaber Kebesch für eine Anlehnung an Rußland ein. Im Wahlkampf verurteilte er die Auflösung der Sowjetunion als „Spalterei“ und forderte deren Annullierung durch die Parlamente Rußlands, Weißrußlands und der Ukraine. Wirtschaftspolitisch sind Lukaschenko und Kebitsch beide gegen Privatisierung, für staatliche Preisregulierung und mehr Subventionen für die Kolchosen.

Als Verlierer des Wettlaufs müssen nun die weißrussischen Demokraten gelten: Sowohl der Chef der weißrussischen antikommunistischen „Volksfront“, Zanon Paznjak, als auch der reformorientierte, zu Anfang des Jahres gestürzte Parlamentspräsident Schuschkjewitsch blieben noch hinter Lukaschenko und Kebitsch zurück. kb