Wie der Nichtraucherschutz sich in Rauch auflöste

■ Mehrparteien-Gesetzentwurf gescheitert

Bonn/Berlin (taz) – Donnerstag nacht. Geisterstunde im Bonner Parlament. Der letzte Punkt der Tagesordnung wird aufgerufen, es ist 20 Minuten nach zwölf. Roland Sauer, drogenpolitischer Sprecher der Union schleppt sich zum Mikrophon, in der Hand einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Nichtraucherschutzes, unterschrieben von 41 Mitstreitern. Er ist müde, andere auch, der Plenarsaal ist gähnend leer. Wie soll man da eine zündende Rede halten, eine, die die Menschen aufrüttelt und vor allem die Parlamentarier, auf daß sie zustimmen, daß in Gaststätten ab 50 Plätzen nicht mehr gequalmt werden darf und in Behörden, öffentlichen Verkehrsmitteln und am Arbeitsplatz sowieso nicht?

Sechs Wochen fraktionsübergreifende Wühlarbeit, sechs Wochen Öffentlichkeitsarbeit, und fast kein Volksvertreter ist mehr da, um Schaden abzuwenden vom Volk und überhaupt. Resigniert verzichtet Roland Sauer aufs Wort, gibt seine Rede zu Protokoll und auch seine Mitstreiter. Es ist 22 Minuten nach zwölf, das Nichtraucherschutzgesetz erhält eine Beerdigung dritter Klasse. Um die Sache wenigstens noch formell zu retten, wird sie in die Ausschüsse überwiesen. Da wird sie lange liegen, für nächste Woche sind die Tagungspunkte schon festgelegt, und dann sind Parlamentsferien. Nur extrem starker politischer Druck könnte das Gesetz zu einem Politikum erster Güte machen. Aber der ist nicht in Sicht.

Roland Sauer, der Ärger hat seinen Adrenalinspiegel hochgetrieben, bleibt nur noch Politikerschelte übrig. Er sucht Schuldige und äußert den Verdacht, daß die Spitzen der Fraktionen gekungelt haben. Die rauchen nämlich und hätten deshalb die förmliche Einbringung des Antrags solange wie möglich verzögert und ihn an diesem Tag mit Absicht erst zur Geisterstunde aufgerufen. Am nächsten Morgen laufen die Fax-Geräte der Zigarettenindustrie-Publicity-Abteilungen heiß, große Freude überall. Roland Sauer sammelt Mut. In der nächsten Legislaturperiode, da ist er sich sicher, werden „wir eine Mehrheit“ haben. Anita Kugler