„Streetball: kein Pussy-Sport“

■ 2398 SpielerInnen balgten sich am Wochenende beim „adidas Streetball Challenge –94“ auf dem Heiligengeistfeld Von Claudia Thomsen

Entschlossen und schnell vertreiben „Users“ und „Schlümpfe“ den Heiligen Geist vom Feld. Beim Zirkeln um den Korb scheinen die gekeuchten mothafuckas und shits ebenso obligatorisch zu sein, wie der durch Drücken und Schubsen erzwungene Kontakt des Gegners mit dem Asphalt.

Cool wie der mitgeführte Sprühverband aufs Knie wirkt der Blick der Jungmänner auf die Fans: Nein, mir tut nix weh! Doch was weiß der Anspruch vom Schmerz? Ab und an legt sich ein feuchter Vorhang zwischen Pupille und Lid des einen oder anderen Spielers. Der Court-Monitor, der Schiri also, hat hier alle Mühe, das Treiben der sechs bodygebuildeten Akteure auf dem Kleinfeld zu kontrollieren. Ob es beim Streetball immer so zur Sache gehe? „Klar“, antwortet das schmächtige Kerlchen, „Streetball ist schließlich kein Pussy-Sport.“

Eine Weisheit, die sich nicht bis zu den Veranstaltern des zweiten „adidas Streetball Challenge“ herumgesprochen zu haben scheint. „Wir wollen zeigen, daß Sport Spaß ist und nicht immer Blut, Schweiß und Tränen“, bringt Inga Weise, Presseinformantin der Herzogenauracher Initiatoren, das offizielle Ziel der Großaktion auf den Punkt. Später greift die sportliche Blondine mit den blauen Augen tiefer in die Motivationskiste: Entspannt berichtet sie von der Entdeckung des „Lifestyle-Charakters und Kommunikationswertes der Sportprodukte“ und davon, daß „das Thema penetriert ist“.

Die Kids wissen also mittlerweile etwas mit Streetball anzufangen, weshalb auch ohne eine Demo der Harlem Globetrotters das TeilnehmerInnenfeld in einem Jahr von 360 auf 601 Teams erweitert werden konnte. Hundert Mark - rechtfertigt ein gratis an die Aktiven verteiltes Streetball-Shirt die Höhe dieser Summe? - kostete es jedes der vierköpfigen Teams, in einer der 20 nach Alter, Geschlecht und Vorerfahrung klassifizierten Divisionen antreten zu dürfen. Gespielt wird 20 Minuten oder bis zu 16 Korbtreffern eines Teams - allein Distanzwürfe zählen zwei Punkte. Jeweils drei SpielerInnen kabbeln sich um einen Korb, ausgewechselt werden kann nach Belieben.

Neben der Integration von Streetball in ein jugendkulturelles Gesamtkonzept - bei keinem der sechzehn in diesem Jahr stattfindenden Turniere werden musikalische Live-Acts, Breakdance-Shows und Outfit-Hökerei fehlen - macht vor allem der Verzicht auf ein hemmendes Regelwerk das 3-gegen-3-Basketball für die Kids interessant. Penibilitäten wie beim Deutschen Basketball Bund (DBB), beispielsweise das Verbot der Dunkings, gibt es hier nicht. Dabei sind es gerade die akrobatischen Kabinettstückchen, jenes Fliegen und abschließende Stopfen des Balles von oben in den Korb, welche die Selbstinszenierung der SpielerInnen erst perfekt machen und deshalb auch am Wochenende wieder und wieder probiert wurden.

Ein Star zu sein, selbst für einige Augenblicke, das wußte schließlich nicht nur Andy Warhol, steht jedem Menschen in diesem Jahrhundert rechtmäßig zu. Ein Glück für die Nachkommenschaft Adi Dasslers, daß sich ihr Kampf um Profit so einträglich mit dem für die Menschenrechte verbinden läßt. Branchenkenner machen neben dem anfangs von den Herzogenaurachern verschlafenen Revival ihrer Turnschuhklassiker aus den siebziger und achtziger Jahren den Erfolg der Streetball-Kampagne dafür verantwortlich, daß der Hersteller der Drei-Streifen-Modelle weiterhin die Poleposition der deutschen Sportartikelbranche innehat. Stolz verkündete man jüngst aus dem Hause adidas, mit einem 33prozentigen Marktanteil die beiden schärfsten Konkurrenten (Nike: 20%, Reebok: 14%) deutlich auf die Plätze verwiesen zu haben.

Und was bekommen die treuen Kunden? „Wenn sie alles gewinnen, kriegen sie ein paar Schuhe. Das ist irgendwie lustig“, bemerkt die Mutter einer nach zwei Tagen und etlichen heißen Matches ausgepowerten Spielerin auf dem Heiligengeistfeld verblüfft.