Der Gewinner
: Reservespieler sorgte für Wahlsieg

■ Christoph Bergner wurde von den CDU-Skandalen an die Spitze gespült

Magdeburg (taz) – Er wirkt, als sei die politische Jacke ein wenig zu groß für ihn. Als im Herbst mit dem Kabinett von Werner Münch bereits die zweite Landesregierung Sachsen-Anhalts die Segel streichen mußte, warf sich Christoph Bergner als treuer Parteisoldat in die Bresche. Er ließ sich aufs Weitermachen einschwören, mit einer Kabinettsmannschaft, die von der Opposition gern als „letztes Aufgebot“ bespöttelt wurde.

Bei der CDU wußte man nur zu genau, daß die auch von der FDP geforderten Neuwahlen schon im März für die Union ein Fiasko bedeutet hätten. Knapp 200 Tage Regierungszeit blieben Bergner, seine Partei aus dem Stimmungstief zu reißen. Er hat es geschafft, als „Christoph, der Genügsame“ ging er noch zu Amtszeiten in die Politgeschichte Sachsen-Anhalts ein.

Wenn es im Wahlkampf um die Aufarbeitung der Gehälteraffaire ging, verwies Bergner gern darauf, daß seine Regierung die überzahlten Gehälter der geschaßten Westimporte um Werner Münch zurückgefordert habe. Das wollten die Leute hören: endlich einer, der aufräumt im eigenen Saustall. Kein Wort davon, daß es gerade er selbst war, der sich bis zuletzt gegen die Rückforderungen gewehrt hatte, daß sich sein Finanzminister Joachim Kupfer nur durch seine Beharrlichkeit gegen den Regierungschef durchgesetzt hat.

Noch vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten erhob Bergner die demonstrative Bescheidenheit zum Regierungsprogramm. Er wolle als Ministerpräsident nicht mehr verdienen als der Oppositionsführer. Kaum war er zum dritten Ministerpräsidenten einer Legislaturperiode gekürt, verlangte er von seinen Referenten, diese Genügsamkeit in Gesetzestexte zu gießen. Es kostete die Fachleute einiges an Überredungskunst, bis Bergner einsah, daß er damit das gesamte Besoldungssystem der Bundesrepublik über den Haufen werfen würde.

Der CDU war nach ihrem unerwartet guten Abschneiden bei den Kommunal- und Europawahlen klar, daß sie die Überwindung ihres Formtiefs nur ihrem Spitzenmann verdankt. Deshalb schnitt sie die Schlußphase des Landtagswahlkampfes ganz auf Bergner zu. Als „Einer von uns“ präsentierte sie den 45jährigen Agraringenieur und Vater dreier Kinder. Regelmäßig berichteten die Medien, daß er der wohl einzige deutsche Landesfürst ist, der täglich mit dem Zug zur Arbeit fährt. Auch wenn es dem Berufspendler nur um Zeitersparnis ging. Mit dem Interregio umging er zwar die hoffnungslos verstopften Bundesstraßen, kostete aber das Doppelte an Personenschutz.

Auch die Ära Bergner hatte ihre Skandale. Christoph der Genügsame konnte nicht verhindern, daß in seiner kurzen Regentschaft gleich drei Minister wegen Bau-, Subventions- und Polizeiaffairen in die Schlagzeilen gerieten. Mit der Loyalität, die ihn schon zur Kandidatur um die Münch-Nachfolge zwang, stellte er sich vor seine Minister. Die Union konnte so kurz vor den Landtagswahlen weitere Rücktritte oder Entlassungen nicht gebrauchen. Deshalb hielt Bergner, der der Blockflöten-CDU bereits seit 1971 angehörte, in Wendezeiten aber auch beim Neuen Forum mitmischte, an den Skandalnudeln seiner Regierung bedingungslos fest.

Das Wahlvolk sah es gern, die Bürger sind der Skandale und der Schlagzeilen ihrer Regierung müde. Jede Stimme für die CDU war in erster Linie eine Stimme für Bergner. Eberhard Löblich