■ Platz für Gäste
: Caramba, Caracho: Samba-Fußball!!

Vor dem Spiel gegen Spanien hatte Bild für Berti Vogts eine völlig neue strategische Konzeption ausgetüftelt: „Die Caramba-und-Caracho-Taktik! Hinten wegfegen, vorne loshämmern.“ Was die Spieler boten, war weniger martialisch; das deutlichste Urteil über ihre Leistungen fällte der Bundestrainer selbst, als er den schon fast erbarmungswürdig hilflos kickenden Fehlpaßspezialisten Effenberg als besten Spieler auf dem Platz bezeichnete. Matthäus spitz: „Der Trainer ist der größte Experte im Stadion. Und wenn der das sagt, dann stimmt das auch.“

Soviel zur Caramba-und- Caracho-Taktik. Die Sympathien der Expertenrunde im Springerhochhaus verschoben sich nach diesem Desaster klar zugunsten der Brasilianer. „Romario tanzte mit russischem Bären Samba“, schwärmte Bild, und Bild am Sonntag („Samba-Fußball zum Verlieben“) legte nach: „Die gelben Hemden der Brasilianer glitzern golden. Romario und Bebeto sind schon das Traum-Duo dieser WM!“ Jetzt geht's los. „Der Hexer – und der Zauberer: Bebeto tanzte wie im Samba- Rausch.“

Im „Samba-Rausch“ befanden sich indessen doch wohl eher die Textredakteure. „Samba-Fußball, das ist ungenau. Zuerst lähmen wir die Gegner. Dann beherrschen wir sie mit unserer Technik, doch ohne – wie früher – die Abwehr zu vernachlässigen.“ (Jorginho) Haarig zutage tritt hier die Unmöglichkeit, berauschend schöne Spielzüge und Tore überhaupt auch nur annähernd adäquat zu beschreiben.

Die Wörter „Samba“, „Caramba“ und „Caracho“ sind schon Hugo von Hofmannsthal (Rapid Wien) wie modrige Pilze in jenem Munde zerfallen, der doch von Rechts wegen bei Steilpässen in Strafraumnähe jubelnd hätte überlaufen sollen.

Als ganz und gar verkehrt offenbart sich mit jedem Wort allerdings auch die blumige Sprache des rasenden Sportreporters Harry Valérien: „Zweikampfstärker, schneller, kompakter und auch technisch reifer schälen die Deutschen ihre Tormöglichkeiten heraus wie Bananen aus der Schale“ – wenn der das so sagt, dann stimmt das noch lange nicht. Nein: Das höchste Glück, so ärgerlich das für Reporter ist, macht sprachlos.

Und Brasilien wird Weltmeister. Bitte, lieber Fußballgott! Gerhard Henschel