Abschiebung trotz Gerichtsschutz

■ HIV-kranker Asylbewerber wurde in Kleve abgeschoben

Berlin (taz) – Wie Lokalpolitiker eine Landesinstitution austricksen, führte dieser Tage die Ausländerbehörde im rheinischen Kleve vor. Sie ließ in einer konspirativen Eilaktion einen zairischen Asylbewerber abschieben, und das obwohl das Oberverwaltungsgericht (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster dies ausdrücklich untersagt hatte. Für den Vorsitzenden Richter des OVG ist dies ein „nicht hinnehmbarer Vorgang“. Durch die Klever Eigenentscheidung sei die im Grundgesetz verankerte „Rechtsschutzgewährung vereitelt worden“, kritisierte er am 20. Juni in einem Brief an den Kreisdirektor der Stadt. Er bitte um eine Stellungnahme. Bis gestern erhielt er keine, und für die Presse ist der Leiter der Ausländerbehörde in Kleve „sowieso nicht zu sprechen“.

Der Fall zeigt, wie bundesrepublikanische Kommunen auf Teufel komm raus unliebsame Personen loswerden wollen, und wenn sie dabei auch das Gesetz brechen müssen. Bela W., ein 25jähriger Asylbewerber aus Zaire, hatte 1989 Asyl beantragt und es trotz jahrelangen Wegs durch die Instanzen nicht bekommen. Der endgültige Ausweisungsbeschluß durch das OVG erfolgte im Juni 1993, Bela W. wurde festgenommen. Aber er war, weil schwerkrank, nicht reisefähig. Aufgrund des Gutachtens des leitenden Arztes des Gefängniskrankenhauses am 22. April 1994 – wonach der Asylbewerber in einem „bereits weit vorgeschrittenen Stadium der HIV-Erkrankung“ leide – legte der Anwalt von Bela W. Widerspruch ein. Das OVG Münster informierte am 27. April Herrn Kuballa von der Oberkreisdirektion von Kleve und bat ihn, „mit Vollziehungsmaßnahmen bis zur Beschwerdeentscheidung abzuwarten“. Dies wurde dem Gericht auch ausdrücklich zugesagt.

Daß diese Zusage aber Schall und Rauch war, bewies sich anderthalb Monate später. Die Ausländerbehörde hatte weder die vom Gericht gewünschte Stellungnahme zu Bela W. verfaßt noch die vom Gericht geforderten Akten nach Münster geschickt. In Kleve wurden Tatsachen geschaffen. Am 15. Juni nachmittags erhielt das OVG ein Telefax aus Münster mit der lapidaren Information, daß der Asylbewerber am vormittag des 15. Juni nach Zaire abgeschoben worden sei. Nach Dienstschluß, wie sich der Vorsitzende Richter des Oberverwaltungsgerichts empörte, und vor allem gesetzwidrig. Eine so eklatante Rechtsverletzung, sagte Bela W.s Anwalt Sigmar Bartens-Winter, sei selten nachzuweisen. Das Büro überlege sich jetzt eine Dienstaufsichtsbeschwerde. aku