Unartiger Staatsbürger

■ Bewährungsstrafe für Katzendreck im Briefkasten

Er wollte Spuren hinterlassen, und das ist ihm gelungen. Der 54jährige Hans-Jürgen R. warf Katzendreck, Obstsäfte, Zigarettenkippen und Küchenabfälle in öffentliche Briefkästen und legte damit den Postbetrieb zeitweise lahm. Ein Hamburger Amtsgericht quittierte diesen „Akt des zivilen Ungehorsams“ gestern mit sieben Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung.

Es begann mit dem Golfkrieg. „Ich bekam eine unheimliche Wut im Bauch und wollte irgend etwas tun.“ Besonders ärgerte er sich über die „zensierte Kriegsberichterstattung“ des NDR. Hans-Jürgen R. demonstrierte vor den NDR-Toren und wurde beachtet. „Extra Drei“ brachte einen - wenn auch programmbedingt ironischen - Bericht über den einsamen Mahner.

Als der Krieg vorbei war, griff er zu anderen Aktionsformen. Auch heute noch steht der Mann zu seinen Briefkasten-„Anschlägen“ zwischen November ,92 und Februar ,93. Nach seiner Festnahme - die Post hatte ein Kopfgeld von 1000 Mark ausgesetzt - hat er einen Brief an den Bundespräsidenten geschrieben, in dem es heißt: „Eines Tages beschloß ich, ein unartiger Staatsbürger zu sein.“ Er wollte keinem schaden oder weh tun, sagt er, aber „ich wollte Sand ins Getriebe streuen“. Mit Erfolg, wie ein Postbediensteter bestätigte. „Hunderte von Briefsendungen mußten abgewaschen und getrocknet werden.“

Ein Sachverständiger diagnostizierte bei dem chronischen Haschraucher (“über 30 Jahre mehr oder weniger heftig“) „hirnorganische Schäden und neurotische Erscheinungen“. Doch darauf wollte sich der graubärtige, glatzköpfige Hans-Jürgen R. - der mit seinen Kommentaren die Verhandlung immer wieder unterbrach - nicht einlassen. „Worüber haben Sie Sachverstand?“ fragte er den Sachverständigen. „Jeder Pazifist muß doch neurotisch werden, wenn er die Krisenherde dieser Welt sieht.“ Die Zuschauer applaudierten an dieser Stelle des Prozesses - zum sichtlichen Mißfallen des Richters.

Das Urteil nahm Hans-Jürgen R. gelassen auf. Er habe jetzt eine andere Aufgabe, verkündete er. „Ich will die Hanfkultur fördern und in öffentlichen Parkanlagen meinen selbstgezüchteten Hanf anpflanzen.“ Torsten Schubert