piwik no script img

■ KommentarLiebe Abgeordnete,

heute nachmittag stehen Sie, 121 Frauen und Männer, über die ich – Verzeih'n Sie mir! – oft genug gespottet habe, vor einer Entscheidung von ganz ungewöhnlichem Gewicht: Es geht um Ihr 12-Milliarden-Mark schweres Ja, Jein oder Nein zum Transrapid Hamburg-Berlin.

Ich verzichtete darauf, Ihre kostbare Zeit noch einmal mit der Aufzählung von Detailargumenten in Anspruch zu nehmen. Sie wissen ja längst, daß alle einschlägigen Verkehrs-, Bahn- und Finanzexperten den Transrapid für überflüssig halten. Auch Sie wissen nur zu gut, wie wenig Sachargumente in der Politik zählen – sonst würden Sie nicht mit gerade diesem Projekt so nachhaltig belästigt.

Nur eine kleine Anmerkung noch: Wußten Sie, daß die Magnetschwebetechnik in Deutschland überhaupt nur deshalb weiterentwickelt wurde, weil Techniker Anfang der 70er Jahre irrig meinten, das System Rad-Schiene könne niemals schneller als 300 bis 350 kmh fahren? Die klügeren Franzosen verzichteten auf magnetische Irrwege, setzten voll auf High-Tech-Rad-Schiene und siegten: Der TGV hält den Weltrekord für Schienenfahrzeuge mit 515 km/h und verdrängt den rückständigen ICE bei einem internationalen Projekt nach dem anderen. Nein, gerade technologiepolitisch ist der Transrapid eine Sackgasse.

Doch entschuldigen Sie – ich bin abgeschweift: Eigentlich wollte ich Ihre Aufmerksamkeit aufs Geld lenken. Denn Ihnen bietet sich eine einmalige Chance: Vergessen Sie Politik und Fraktionszwang, halten Sie sich einfach an Vernunft, Sachargumente und die Hamburger Verfassung.

Lassen Sie einfach mal den Dagobert in Ihnen raus! Wann im Leben kann man mit einer einzigen richtigen Armbewegung 100 Millionen pro Abgeordnetenstimme sparen? Dieser Jackpot lohnt fast jeden Einsatz! Retten Sie 12 Milliarden Mark vor dem sinnlosen Zugriff durch Banken, Industrie und Betonherstellern!

Ihr treuer Begleiter

Florian Marten

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen