Wem die Stunde schlägt

■ Schulsenatorin verkündet Sparpaket: Alle Lehrer müssen eine Stunde mehr arbeiten / Morgen Großkundgebung gegen Bildungsabbau Von Kaija Kutter

Zwei Tage vor der erneuten großen Kundgebung gegen Bildungsabbau hat Schulsenatorin Rosemarie Raab gestern im Rathaus ihr Sparpaket offengelegt. Wie erwartet, trifft es die 14.000 LehrerInnen am stärksten: Sie müssen alle eine Wochenstunde mehr arbeiten.

Ziel der Sparüberlegung: Die Versorgung der im Vergleich zu heute zusätzlichen 12.000 Schüler und die Fortführung von Reformen wie die Integration Behinderter sollen bis 1997 ohne eine einzige Neueinstellung bewältigt werden. Dafür hat die Senatorin mit weiteren neun Sparmaßnahmen insgesamt 845 Stellen zusammengekratzt. Durch den bereits bekannten Gastschüler-Stopp kommen nochmals 100 bis 150 Stellen hinzu, die für „qualitative Verbesserungen“ genutzt werden sollen.

Die gestrigen Senatsbeschlüsse im Detail:

Gymnasial- und Berufsschullehrer sollen ab Sommer 1995 24 statt 23 Stunden unterrichten, Real- und Sonderschullehrer 27 statt 26. Dies spart 400 Stellen.

Hauptschullehrer sollen 28 Stunden lehren. Dafür wird die Klassenlehrerstunde eingeführt.

Grundschullehrer sollen eine zusätzliche Stunde geben.

Referendare sollen ab 1996 je 360 Stunden alleine unterrichten. Einsparung: 90 Stellen.

Aufbaugymnasien, Wirtschafts- und Technische Gymnasien haben künftig wieder eine Notenschwelle. Für die vierjährige Schulform beträgt sie 3,0, für die dreijährige 2,5 in den Fächern Deutsch, Mathe und 1. Fremdsprache. Gewünschter Spareffekt: 55 Stellen. Damit sei die „Diskussion um diese Schulform“ entschieden, so Raab. Das Hansa-Kolleg bleibt, wird aber verlegt.

Gesamtschulen wird der Lehrermehrbedarf für Teilung, Differenzierung und Koordination gekürzt. Einsparung: 20 Stellen.

Berufsschulen sollen selbst entscheiden, wie gespart wird. Eine Kommission hat bis April '95 Zeit. Sparvorgabe: 100 Stellen.

Sonderschulen wird die Ausgleichsreserve für kleine Klassen gekürzt. Einsparung: 8 Stellen.

Gymnasien werden drei Tutorstunden für die Oberstufe gekürzt. Spart 37 Stellen.

Orientierungsstufe wird abgeschafft. Spart 5 Stellen.

Fachschulen werden die Klassenfrequenzen auf 24 erhöht. Weiterbildungskurse entfallen: Einsparung: 36 Stellen.

Honorarkräfte sollen Hausaufgabenhilfe günstiger machen. Spart Geld im Gegenwert von 21 Stellen.

Lehrer-Personalräte sollen auf das gesetzliche Mindestmaß reduziert werden. Spart 8 Stellen.

Schulleitern und Fachraumverwaltern wird die Entlastung um 10 Prozent gekürzt. Spart 65 Stellen.

„Diese Maßnahmen sind es denn auch bis zum Ende der Legislaturperiode“, beendete Senatorin Raab die Pressekonferenz. Sie sei „nicht mit dem Rasenmäher“ ans Sparen herangegangen und habe das Versprechen eingelöst, Stundentafel und Klassengröße „unangetastet zu lassen“.

Das Sparpaket habe die „schlimmsten Befürchtungen bestätigt“ und lasse „keine Schulart verschont“, kritisierte hingegen GEW-Sprecherin Anna Ammonn. Die größte Provokation sei die Rücknahme der 1989 erkämpften Arbeitszeitverkürzung für Grund- und Hauptschullehrer. Die GEW werde Kampfmaßnahmen für den Herbst vorbereiten. Und GALier-Kurt Edler sprach vom Abschied von der Chancengleichheit. „Wer Real- und Hauptschülern den Zugang zu Aufbaugymnasien erschwert, treibt die soziale Spaltung der Jugend weiter voran.“