Anklage: „Vorbereitung eines Bürgerkrieges“

■ Ein makedonisches Gericht verurteilte zehn albanische Bürger – ohne Beweise

Wien (taz) – Wegen „Vorbereitung eines Bürgerkrieges“ und „Aufbau einer illegalen Armee“ verurteilte ein makedonisches Gericht am Montag zehn albanische Bürger der ex-jugoslawischen Republik zu Haftstrafen zwischen fünf und acht Jahren. Unter den Verurteilten befindet sich der frühere stellvertretende Verteidigungsminister Haskaj Husein und der Vorsitzende der „Partei der Demokratischen Wohlfahrt“, Mithat Emini. Beide waren im vergangenen November unter dem Vorwurf festgenommen worden, einen „nationalen albanischen Verteidigungsstab“ gebildet zu haben.

Zudem sollen Husein und Emini über 300 Handfeuerwaffen und einige zehntausend Schuß Munition gelagert und gar ein geheimes Computernetz zur Vorbereitung ihres Umsturzes aufgebaut haben. „Aufgeflogen“ waren die angeblichen Umstürzler nach Hinweisen des ebenfalls albanischen Ex-Gesundheitsministers Makedoniens, dessen „Geständnis“ der Anklage nun als einziger „Beweis“ diente. Die Verhandlung fand zudem unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, die Aussagen einiger Sicherheitsbeamter wurden zwar verlesen, konnten aber von den Verteidigern nicht hinterfragt werden. Angeblich hätte dies die staatliche Sicherheit gefährdet.

Durch eine derartige Prozeßführung könnten die latenten Spannungen zwischen der slawisch-makedonischen Mehrheit und der albanischen Minderheit eskalieren. Schon seit Monaten vermeldet die albanischsprachige Tageszeitung Rilindja nahezu täglich Zwischenfälle zwischen Sicherheitskräften und Albanern. Razzien gegen „extremistische Elemente“ sind ebenso an der Tagesordnung wie Berufsverbote gegen Lehrer oder die Absetzung von Fabrikdirektoren wegen „anti- makedonischer Propaganda“. Sogar die reine Behauptung, die albanische Volksgruppe stelle nicht wie offiziell angegeben 25, sondern über 40 Prozent der 2 Millionen Bürger des Landes, behandeln die Gerichte als „anti-makedonische Diffamierung“.

Aufklärung über die tatsächliche Anzahl der Volksgruppen in der kleinsten Balkanrepublik hätte die für Mitte Juni dieses Jahres geplante Volkszählung geben können. Doch die Minderheiten boykottieren den Zensus aus Protest gegen das restriktive Staatsbürgerrecht Makedoniens. Denn wer der makedonischen Sprache nicht mächtig ist, keine makedonischen Vorfahren nachweisen kann oder nicht lange genug im Lande gelebt hat, hat wenig Chancen auf einen makedonischen Paß. Viele Albaner aber hatten im kommunistischen Jugoslawien neben ihrer Muttersprache nur Serbokroatisch gelernt und hatten sich auf der Suche nach Arbeit lange Zeit in den nördlichen Republiken des Vielvölkerstaates aufgehalten. Karl Gersuny