Böden weltweit gefährdet

■ Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung fordert eine internationale Bodenschutz-Konvention

Bonn (taz) – In vielen Landstrichen der Erde wird der Boden bis zur Jahrtausendwende zerstört sein. Hungersnöte und Kriege werden die Folge sein. Mit dieser Prognose warnt der Wissenschaftliche Beirat zur globalen Umweltpolitik in seinem 2. Jahresbericht die Bundesregierung. „Bodenschutz ist Teil einer globalen Sicherheitspolitik“, betonte der Beiratsvorsitzende, der Hamburger Klimatologe Hartmut Graßl, gestern bei der Übergabe des Berichts an Umweltminister Klaus Töpfer und Forschungsminister Paul Krüger.

Das seit 1992 existierende, unabhängige Gremium fordert eine globale Boden-Konvention. Während alle vom Klima redeten, fehle dem Bodenschutz die Öffentlichkeit. Und das, obwohl „das Bodenproblem jetzt schon massiv da ist“, bemängelte Udo Ernst Simonis vom Wissenschaftszentrum Berlin.

Bodenschutz heißt für die zwölf Soziologen, Umweltforscher und Wirtschaftswissenschaftler vor allem eines: Das Welternährungsproblem in den Griff zu bekommen. „Jährlich wächst die Bevölkerung um 1,7 Prozent“, erläutert der Vorsitzende des Beirats, der Hamburger Klimatologe Hartmut Graßl. Damit steige zunehmend der Druck auf die Landwirtschaft. Bauern müßten pro Jahr zwei Prozent mehr ernten. Auch dann, wenn die Industrieländer ihren Fleischverzehr drosselten, seien also „wachsende Erträge pro Flächeneinheit unerläßlich“, so ein Fazit des Gutachtens. Angebaut werden solle aber nur noch dort, wo eine Nutzung „standortgerecht, nachhaltig und umweltschonend“ sein könne, heißt es in der Studie.

Aus Sicht des Beirates ist es erforderlich, Entwicklungsländer beim „Aufbau einer leistungsfähigen Landwirtschaft“ zu unterstützen. Nicht die deutsche „Turbo- Kuh“ soll auf afrikanischen Weiden grasen, sondern „angepaßte Züchtungen“ seien notwendig, fordert der Vorsitzende. Graßl schließt dabei auch den Einsatz der Gentechnik nicht aus.

Dort wo Böden nicht fruchtbar genug seien, gelte es, Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft zu schaffen. „Vierzig arme Länder müssen Nahrungsmittel importieren“, zieht Graßl Bilanz. In solchen Staaten sei es daher wichtig, Industriebetriebe anzusiedeln oder den Tourismus zu fördern.

„Sonst stehen die Umweltflüchtlinge bei uns vor der Haustür“, warnt der Klimatologe.

Zwölf verschiedene Krankheitssymptome der Böden haben die WissenschaftlerInnen in ihrem Bericht unterschieden. Für Entwicklungsländer problematisch sei vor allem die Übernutzung marginaler Böden (Sahel-Syndrom), die Abkehr von der traditionellen Landwirtschaft (Huang-He-Syndrom) sowie die Entwaldung (Sarawak- Syndrom). Die industriellen Anbauflächen in Europa und den USA litten vor allem unter Erosion und Bodenverdichtung (Dust-Bowl- Syndrom). So soll aus Sicht der Wissenschaftler die deutsche Landwirtschaft ihre Überschüsse abbauen, indem sie extensiver wirtschaftet. Bislang werden gerade zwei Prozent der Fläche ökologisch bewirtschaftet.

Angesichts der nationalen Bodenschutzpolitik könne sich die Bundesregierung ihre Vorreiterrolle abschminken. „Die eigenen Hausaufgaben sind bislang nicht gemacht worden“, kritisierte Simonis. Der Entwurf eines deutschen Bodenschutzgesetzes liege auf Eis. Wenigstens dieses Gesetz könne die Bundesregierung auch vor einer internationalen Bodenschutz-Konvention einführen. Marion Wigand