Ohne moralischen Zeigefinger

■ Gelungenes Debüt des Süd-Ost-Theaters: „Hochtief“, ein Stück über Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien

Schon der Auftakt ist furios: Gleich in der ersten Szene stellen die fünf Frauen des Süd-Ost-Theaters unmißverständlich klar, worum es ihnen mit ihrem ersten Stück „Hochtief“ gerade nicht geht: Um ein Besserwisser-Theater, das dem Publikum erklären will, wieso es auf der Welt soviel Krieg und andere böse Dinge gibt. Im Theater haben derartige Anklagen genausowenig Wirkung wie die täglichen Spots über das Elend in der „Tagesschau“.

Die plakativen Sprüche über Sinn und Unsinn des Kriegs schleudern sie daher gleich am Anfang ins Publikum. Pflichtprogramm ironisch erledigt. Was Krieg und Unterdrückung im einzelnen bedeuten, wissen die teils aus dem ehemaligen Jugoslawien, teils aus der Ex-DDR geflohenen oder emigrierten Schauspielerinnen, die hier erstmals gemeinsam auf der Bühne stehen, sehr genau.

Der Schauplatz des Stückes ist eine Baustelle irgendwo in Berlin. Die Bühne im Statthaus Böcklerpark ist vollgestellt mit rot-weißen Baustellen-Kegeln, Bauschranken und jeder Menge Bierkästen. Auf einer riesigen Stahlleiter inmitten der Unordnung arbeitet Jadranka (Nadja Gejic). Ihre Mutter ist Deutsche, ihren Vater kennt sie kaum, er lebt in Dalmatien. Um ihm bei der Flucht nach Deutschland zu helfen, wendet sie sich an ihre Freundin Monika (Chady Seubert). Die arbeitet in einem Heim für Kriegsflüchtlinge und weiß immer Rat.

Auch Emina (Suada Topolovic), die vor dem Krieg geflohen ist, Lidija (Zdenka Panovski), eine Emigrantin, und die Westberlinerin Nadine (Jadina Frenz) wissen nicht mehr weiter. So kommen auch sie zu der Jadranka und Monika auf die Baustelle. Dort prallen nicht nur die Probleme aufeinander, sondern auch fünf ganz unterschiedliche Charaktere.

Die rothaarige Nadine nennt ihr Kind eine „traditionelle Scheiße“ und findet's nur noch ärgerlich, daß der Vater nichts für das Balg tut. Sie raucht und kifft, Jadranka säuft Bier, und Emina findet das Manns- Gehabe dieser Damen ganz abscheulich. Ihr wird erklärt, daß Männer doch „Arschlöcher“ seien, das aber weiß Emina selbst, denn sie kennt die Männer aus dem Krieg.

Die Frauen reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Im Grunde sind sie keine Figuren, sondern geradezu „echt“. Kein Wunder: Die Darstellerinnen spielen ihre eigene Lebensgeschichte. Deswegen droht dem von Regisseurin Romana Rozic so gelungen inszenierten Stück auch an keiner Stelle die Gefahr, in betroffene Elendslyrik abzugleiten, denn genau die ist schließlich ja immer künstlich, im wahren Leben gibt's die nicht.

Das Bild von Berlin als einer Baustelle ist ja nicht unbedingt originell. Der Versuch, den das Süd- Ost-Theater damit unternimmt, löst die Metapher jedoch auf allen Ebenen ein: Er zeigt, daß Berlin tatsächlich eine Baustelle zwischen Vergangenheit und Zukunft ist: Keine der fünf Frauen weiß, was aus ihrer Geschichte am Ende wird. Das Publikum im vollbesetzten Statthaus war begeistert. Die Frauen müssen unbedingt weitermachen! Andrea Kern

„Hochtief“ vom Süd-Ost-Theater; weitere Vorstellungen nur noch heute und morgen um 20 Uhr im Statthaus Böcklerpark, Prinzenstraße 1, Kreuzberg, Vorbestellungen unter Tel.: 2588 30 32.