■ Sexueller Mißbrauch wird länger verfolgt
: Im Interesse der Opfer

Sexuelle Übergriffe gegen Kinder mögen juristisch eines Tages verjähren – den Opfern fügen sie häufig Schäden zu, mit denen sie noch Jahrzehnte nach der Tat zu kämpfen haben. Ein wichtiger Schritt, die erfahrenen Verletzungen zu verarbeiten, kann darin bestehen, den Täter im nachhinein zur Verantwortung zu ziehen. Dabei geht es nicht um Rache, sondern darum, sich von den eigenen Schuldgefühlen, die nicht selten zu Selbsthaß führen, zu befreien.

Diese Möglichkeit wird durch die gestern in Kraft getretene Gesetzesänderung, die die Verjährung von Sexualstraftaten an Kindern und Jugendlichen neu regelt, erweitert. Nach der neuen Regelung ruht die zehnjährige Verjährungsfrist bis zum 18. Lebensjahr des Opfers; bis zum Alter von 28 Jahren kann es das Delikt zur Anzeige bringen. Dies verbessert nicht nur die Chancen, auch den Mißbrauch an kleinen Kindern im nachhinein strafrechtlich zu verfolgen, sondern berücksichtigt auch, daß viele Mißbrauchsopfer erst viele Jahre nach der Tat psychisch stark genung sind, über die erlittenen Demütigungen und Verletzungen zu reden und die Konfrontation mit dem Täter zu ertragen. Die Mißbraucher, die nicht zuletzt auf die Ungleichheit und Hilflosigkeit ihrer Opfer setzen, müssen jetzt damit rechnen, noch Jahre nach der Tat von ihren mittlerweile erwachsenen Opfern zur Rechenschaft gezogen zu werden. Allerdings setzt auch diese Regelung deutliche Grenzen: Wer, möglicherweise in Anschluß an eine Therapie, erst nach nach dem 28. Lebensjahr eine strafrechtliche Klärung sucht, bleibt nach wie vor davon ausgeschlossen. Nicht nachvollziehbar ist auch, warum Kindesmißbrauch noch immer milder geahndet wird als Vergewaltigung. Das hat auch Auswirkungen auf die Verjährungsfrist: Für Vergewaltigungen ist diese doppelt so lang.

Die neue Regelung, die den Bundestag Ende April nach langem Ringen passiert hat, ist eine deutliche strafrechtliche Verbesserung, die den Bedürfnissen der Geschädigten Rechnung trägt. Das ist nicht zuletzt ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der das Schlagwort „Mißbrauch des Mißbrauchs“ durch alle Medien geistert und die breitgewalzten Fälle fälschlich Verklagter die Glaubwürdigkeit nicht nur von Hilfseinrichtungen, sondern auch der Opfer selber in Frage stellt. Sie haben ein Anrecht darauf, mit Respekt behandelt zu werden. Sonja Schock