Israel bereitet sich auf Arafats Besuch vor

Tauziehen um den Termin in letzter Minute / Siedler und rechte Opposition mobilisieren zu Protestaktionen / Die „Operation glühende Wüste“ soll den PLO-Chef schützen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die plötzliche Entscheidung von PLO-Chef Jassir Arafat, an diesem Wochenende zum ersten Mal seit 1967 wieder seinen Fuß auf palästinensischen Boden zu setzen und nach Gaza zu kommen, hat die israelischen und palästinensischen Sicherheitsbehörden in höchsten, fast panischen Alarmzustand versetzt. In Gaza werden fieberhafte organisatorische Vorbereitungen getroffen und die notwendigsten Schritte unternommen, um die vernachlässigte Stadt zu säubern und zu schmücken.

Es war ein Tauziehen in letzter Minute: zuerst hatte Arafat auf bitten der israelischen Regierung sein Kommen auf Samstag verschoben. Dann bat man ihn – angesichts des Sabbat – noch einen weiteren Tag zu warten. Daraufhin konterte der PLO-Chef, er werde, wie ursprünglich geplant, bereits heute nach Gaza kommen. Dies zumindest war der Stand gestern bei Redaktionsschluß.

Der sefardische Oberrabbiner in Jerusalem, Bakschi Doron, war damit nicht zufrieden: er forderte Arafat auf, seinen Besuch nochmals aufzuschieben, „damit der jüdische Sabbat nicht entheiligt wird“. Gleichzeitig richtete der ehemalige General und Oberrabbiner der israelischen Armee, Schlomo Goren, einen Aufruf an die Polizisten und Soldaten: sie sollen den Sabbat nicht „durch Beschützung des Massenmörders Arafat entheiligen“.

Zur Frage, warum sich Arafat nach langem Zögern und einigen Aufschüben gerade jetzt zu einem Besuch in Gaza entschlossen hat, gibt es verschiedene Meinungen. Keine der Bedingungen, die der PLO-Vorsitzende für sein Kommen gestellt hatte, ist erfüllt. Aber konsequent geht es eben nicht zu, und dramatische Überraschungen sind längst zu Arafats Markenzeichen geworden.

Eine nicht ganz von der Hand zu weisende Theorie für den Zeitpunkt des Besuchs verweist auf die kürzlich umsichgreifende Enttäuschung der palästinensischen Bevölkerung in den Autonomiegebieten – angesichts der chaotischen Zustände bei eher wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der weiterhin katastrophalen Arbeitslosigkeit. Das erwartete Fest der Begeisterung zu Arafats Besuch sollte diesem Trend entgegenwirken und gleichzeitig auch den Geldgebern im Westen zeigen, daß die palästinensischen Autonomie-Behörden (PNA), an deren Spitze Arafat steht, jetzt zu funktionieren beginnen.

In Israel bereitet man sich auf den Besuch Arafats vor allem mit umfassenden Sicherheitsmaßnahmen vor, denen man den Namen „Operation glühende Wüste“ gegeben hat. Die Sicherheitsbehörden, die sich nicht nur mit der Aufrechterhaltung der Ordnung in Israel und den besetzten Gebieten begnügen, sondern auch erheblichen Nachschub in die Garnisonen der verschiedenen Siedler- und Sicherheitsenklaven innerhalb des Gaza-Streifens entsenden, koordinieren einen Teil ihrer komplizierten und sorgfältigen Vorbereitungen „für alle Fälle“ mit den Spitzen der palästinensischen Polizei.

Einerseits gilt es, die palästinensische Delegation aus Tunis zu bewachen. Andererseits haben die rechten Oppositionsparteien und die Organisationen der Siedler eine Reihe von großen Protestaktionen geplant, die sich in erster Linie unter der Parole „Die Schlacht um Jerusalem – gegen Arafats Jihad“ in der israelischen Hauptstadt abspielen sollen. Ein großes „Protestlager“ der Siedler wurde bereits vor dem Gebäude des Ministerpräsidiums errichtet. Von dort aus werden in den nächsten drei Tagen eine Serie von Protestaktionen ausgehen. Die Hauptdemonstrationen in Ost- und Westjerusalem sind für Samstag mittag und abend geplant.

Der ehemalige Ministerpräsident der Likud-Regierung, Jitzhak Schamir, gab eine Erklärung ab, in der er Arafats Kommen als „Beginn der Zerstörung Israels“ bezeichnete. „Arafat darf deshalb keinen Fuß auf unseren Boden setzen: das muß das Ziel der Opposition, des ganzen Volkes sein,“ sagte Shamir.

Für den Kommentator der Abendzeitung Yediot Acharonot ist der Besuch ein Symbol dafür, daß Israel den Gaza-Streifen endlich losgeworden ist: „Arafat kommt aus dem Hinterhof ins Land, nach Gaza, das die meisten Israelis freudig aufgeben wollten, um Gaza dem Dummen zu überlassen, der bereit war, es zu übernehmen. Gaza gehört uns schon nicht mehr, und das ist gut so. Soll er Gaza ruhig nehmen und regieren,“ hieß es in dem Massenblatt.

Die Zeitung Maariv hingegen kann dem Besuch auch Positives abgewinnen: „Gefühlsmäßig ist Arafats Kommen für Israel eine bittere Pille. Aber politisch ist es ein Erfolg: Es symbolisiert den Prozeß der Liquidierung der PLO als extremer Terror-Organisation und ihre Verwandlung in einen politischen, integrierenden Faktor für die in den besetzten Gebieten operierenden Palästinenser – unter dem wachsamen Auge Israels. Das war das eigentliche Ziel der israelischen Regierung während des ganzen Osloer Prozesses.“