Beutezug im Haifischteich

„Frauen – Macht – Medien“, eine traurige Bestandsaufnahme  ■ Von Susanne Billig

... und wir können sagen, wir sind nicht dabeigewesen.

Ob ostdeutsche Frauen in den totalen Gebärstreik treten, ob fünfzig namhafte Frauen des öffentlichen Lebens eine Kandidatin für die Weizsäcker-Nachfolge vorschlagen, ob der DGB eine Frau Vorsitzende nicht ertragen kann – Frauenpolitik ist für die Medien keine Nachricht. Es kann ja nicht jede eine Regine Hildebrandt sein.

Das andere Geschlecht dagegen gelangt auch ohne Charme und Charisma in die mediale Vervielfältigungsmaschine. „Die Medien werden von einer gesellschaftlichen Randgruppe dominiert: weiß, männlich, um die 50, meist mit Bauchansatz“, konstatierte Moderatorin Sibyll Klotz auf der Podiumsdiskussion „Frauen – Macht – Medien“ trocken. Die überparteiliche Fraueninitiative „Berlin – Stadt der Frauen“ hatte am vergangenen Mittwoch ins Berliner Abgeordnetenhaus eingeladen und sich mit Gerda Hollunder, frischgebackene Programmdirektorin des DeutschlandRadios, Heide-Ulrike Wendt vom Stern und Ulrich Anschütz, stellvertretender Fernsehdirektor beim Sender Freies Berlin (SFB), Rang und Namen aufs Podium geholt.

Rasch wurde deutlich: 25 Jahre weiblicher Ansturm auf die Medieninstitutionen haben ernüchternd wenig gebracht. Zwar dürfen Frauen jetzt auch im Fernsehen Fußball präsentieren. Und es gibt, wenn auch zu seltsamen Sendezeiten, engagierte, informative Beiträge zu frauenpolitischen Fragen. Nachrichten verlieren offenbar doch nicht allein deshalb ihre Seriosität, weil sie aus Frauenmunde vorgelesen werden. Dennoch dominieren vor und hinter Kamera und Mikrophon Männer das Geschehen, mit ihren Wortmeldungen, ihren Interessen, ihrem politischen Wollen und Streben, ihrem Blick auf Frauen.

Daß Podiumsteilnehmer Robin Lautenbach vom ARD-Studio Berlin Frauen als „special interest group“ bezeichnete, ließ nicht eben auf ein Umdenken hoffen. „Als Nachrichtenmann weiß man, daß jede Gruppe sich zuwenig beachtet fühlt.“

Nach empirischen Untersuchungen ist der bundesdeutsche Durchschnittsjournalist 37 Jahre alt, verheiratet, in einem klassischen Ressort wie Politik oder Kultur tätig. Er trägt monatlich 3.900 Mark netto nach Hause – und besetzt drei Viertel aller Arbeitsplätze im Journalismus. Seine Kollegin muß mit 700 Mark weniger auskommen. Ihre Brötchen verdient sie in einem randständigen Ressort, als da wäre das Lokale oder auch die Gartenseite. Zur Chefredakteurin einer Tageszeitung schafft sie es selten. Auch in den Rundfunk- und Fernsehhäusern bleibt sie weit unten in der Hierarchie stecken. Eine Intendantin gab es in der ganzen bundesrepublikanischen Geschichte nicht, die Direktorinnen sind an einer Hand abzuzählen, Abteilungsleiterinnen werden wieder rarer.

Der Rundfunkrat des SFB beispielsweise ist mit 25 Männern und sechs Frauen nicht untypisch besetzt. Das versprengte Frauenhäuflein steht auch ansonsten nur Männern gegenüber: SFB-Geschäftsleitung, Intendant, Direktoren sowie sämtliche Stellvertreter sind männlichen Geschlechts. Daß der weibliche Nachwuchs formal wie inhaltlich hervorragend qualifiziert ist, nutzt ihm wenig: Der SFB – auch darin keine Ausnahme unter den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten – brachte es im letzten Jahr fertig, seine drei freien Stellen an genau die drei männlichen Volontäre zu vergeben, die neben 25 Volontärinnen ausgebildet worden waren.

Da wand sich Ulrich Anschütz doch sehr, als er das erkären sollte: „In der Gesellschaft“ existiere solch ein Sender und werde vom frauenpolitischen Rollback halt nicht verschont. Außerdem machten Frauen einen Rückzieher, wenn höhere Posten zu vergeben seien. Auch Gerda Hollunder („Ich habe im WDR auf allen Ebenen hierarchisiert“) unterstützte die These von den zaudernden und sich zuwenig zutrauenden Frauen: „Solange Frauen einen Bogen um den Haifischteich machen und sagen, da wird es mir zu kalt, da will ich nicht hinein, so lange verzichten sie auf Einfluß.“ Hollunder plädierte: „Die einzelne Frau muß bekennen: Ich will Macht.“

Doch sie will lieber Zeitung oder Radio machen. Bei den kommerziellen Rundfunk- und Fernsehsendern gibt es vergleichsweise geradezu reichlich Frauen. Gerda Hollunder selbst wußte: „Frauen sind in jungen, noch durchlässigen und flexiblen Institutionen immer stärker vertreten.“ Das Beispiel der Kommerziellen kann also nur zeigen: Frauen engagieren sich trotz der absurd hohen zeitlichen Anforderungen im Journalismus, trotz familiärer Doppelbelastung und Sensibilitätssozialisation sehr wohl – wenn denn der Schwerpunkt auf der inhaltlichen Arbeit liegt. Beutefang im Haifischteich um seiner selbst willen, das kann Frauen wenig locken.

Es muß sich wohl doch an den Strukturen etwas ändern, bevor Frauen sich unter Einsatz ihrer Kraft und Lebenszeit hineinbegeben möchten. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, sind die Medienräte, denn sie bestimmen über den Haushalt, beobachten das Programm, wählen Intendanz und Direktoren. Gesetzlich festgeschriebene Frauenquoten sind erklärtes Ziel engagierter Medienfrauen.

Es kann also kaum schaden, endlich auch die Gruppen in die Pflicht zu nehmen, die diese Gremien mit VertreterInnen bevölkern. Alice Ströver, freie Journalistin und Mitglied im Rundfunkrat des SFB, rechnete vor: Die Hälfte der wenigen Frauen, die sich in den Medienräten finden lassen, kommt aus den Frauenverbänden. „Hier und da findet sich auch noch eine Gewerkschafterin oder eine Frau aus Politik oder Kultur.“ Arbeitgeberverbände oder Handwerkskammern präsentieren sich rein männlich. Auch die Journalistenverbände legen ihre Interessen übrigens ausschließlich in Männerhände.