Zynischer geht es kaum noch

■ betr.: „Die dritte Kraft im Lande“, taz vom 30.6.94

André Brie greift Bündnis 90/ Die Grünen wegen deren Willen zu einer Regierungsbeteiligung in Bonn scharf an. Die PDS hingegen legitimiere sich durch ihren unbedingten Willen zur Opposition. Diese Argumentation ist heuchlerisch und zynisch zugleich:

1. Die PDS regiert dort, wo man sie läßt, natürlich auch. Oder kandidieren im Osten PDS-Bürgermeisterkandidaten etwa mit dem Anspruch, im Rathauschefsessel Opposition zu betreiben? Wohl nicht!

2. Dort wo man die PDS nicht regieren läßt, bittet die PDS aber mit schöner Regelmäßigkeit um ihren Anteil an der Machtausübung. Sachsen-Anhalt ist nur ein Beispiel. Erst die ablehnende Haltung der anderen Parteien verschafft der PDS den wirksamen Oppositionsmythos.

3. Wer den Willen zu einem Wechsel in Bonn als Opportunismus denunziert, nimmt automatisch die Fortsetzung konservativer Politik billigend in Kauf. Daß damit weitere vier Jahre sozialer und demokratischer Entrechtung und ökologischer Zerstörung legitimiert werden, kann aus Sicht der PDS nur den einen Nutzen haben, daß damit immer mehr Menschen aus einer sozialen Notsituation heraus Zuflucht in populistische und verbalradikale Politik suchen. Zynischer geht es wirklich kaum noch!

Abschließend möchte ich die Vermutung äußern, daß ein Grundkonsens der westdeutschen links-liberalen Öffentlichkeit immer ihre ablehnende Haltung gegen den Verfassungsschutz gewesen ist. Wenn die PDS, in deren Reihen zahlreiche bekennende Stasi-Mitarbeiter Politik machen, ausgerechnet diese Klientel überzeugen könnte, würde mich das schon arg überraschen. Claudio Struck, Berlin