„V-Männer nur mit Täterprofil“

■ Der hessische Verfassungsschützer Hartmut Ferse über den Einsatz von Spitzeln

taz: Der Einsatz von V-Männern gerät zunehmend unter öffentlichen Beschuß. Gefährliche Pannen der letzten Zeit lassen nun jeden zweifeln, ob sie überhaupt nötig sind. Herr Ferse, nach welchen Kriterien werden V-Männer bei Ihnen eigentlich ausgewählt?

Hartmut Ferse: Es gibt keine Kriterien für die Arbeit eines V-Mannes. Es ist allein ausschlaggebend, daß der Einsatz und die Berichterstattung aus den sogenannten Beobachtungsobjekten erfolgen kann, also aus direkter Quelle, und wahrheitsgemäß ist.

In Solingen wurde ein Neonazi als Informant engagiert, dessen rechtsextreme Gesinnung und Aktivitäten vom Verfassungsschutz – gewollt oder nicht – praktisch mitunterstützt wurden. Der Hak-Pao- „Sportlehrer“ mußte seiner Ideologie nicht abschwören, um von den Behörden angeheuert zu werden. Muß ein solcher V-Mann ein aufrechter Demokrat sein? Kann er ein Täterprofil haben?

Sicher kann er ein Täterprofil haben. Wenn er uns darüber berichtet, warum er Straftäter (gewesen) ist und was ihn dazu bewegt hat, werden wir auch von ihm die Informationen entgegennehmen. Der von den Medien gern provozierte Eindruck aber, daß wir in unserem Auftrag Taten begehen lassen, wäre völlig falsch. Wir fordern von niemandem unserer V-Leute, Straftaten zu begehen. Derjenige, der uns gegenübertritt, muß nicht in jeder Hinsicht zu den Grundfesten der freiheitlich-demokratischen Verfassung stehen. In bestimmten Bereichen müssen wir sogar mit Extremisten zusammenarbeiten, etwa im Kurden-Bereich oder Neonaziorganisationen. Denn von solchen Menschen sind die Recherchen für unsere jeweiligen Zwecke am authentischsten. Es geht uns darum, den Wahrheitsgehalt der Informationen zu überprüfen, an die wir sonst kaum herankämen, und nicht um den Einsatz irgendwelcher abstrakter Prinzipien.

Demokratisch gesinnte V-Leute haben danach das „Manko“, Verfassungspatrioten zu sein. Sie wären, sagen Sie, ein Hindernis ...

Es sind jedenfalls Fälle denkbar, in denen jemand aus einer demokratischen Überzeugung heraus in eine extremistische Organisation hineingeht – weil er eben etwas für diesen Staat tun will – und gar nicht versteht, was dort im einzelnen passiert. Seine intellektuellen Überzeugungen und Vorstellungen lassen es nur eingeschränkt zu, wirklichen Einblick zu haben. Dann kann es durchaus sein, daß sich das Bild, das er von dieser Organisation an uns weitergibt, falsch darstellt. Mehr Nutzen bringen uns tatsächlich V-Leute mit Täterhintergrund.

Hätten Sie den Solinger V-Mann auch eingesetzt?

Ich möchte mich nicht zu V-Leuten anderer Verfassungsschutzämter äußern. Grundsätzlich gilt für mich, ich sage es noch einmal: Es wäre geradezu heuchlerisch zu behaupten, man könnte aus einem Milieu heraus Nachrichten bekommen, ohne daß derjenige, der in dieser Organisation ist, auch an dem Gedanken- und Aktionsleben der Organisation teilnimmt. Wenn sie Straftaten begehen, werden sie von uns in keiner Weise geschützt.

Mit anderen Worten: V-Männer müssen nicht kontrolliert werden?

Es geht ja überhaupt nicht darum, V-Leute zu steuern. Sie sind keine beamteten Angehörigen der Nachrichtendienste. V-Leute sind Informanten aus den Beobachtungsobjekten, die uns die letzte Gewißheit darüber verschaffen, daß das, was wir aus den Verlautbarungen von bestimmten Organisationen wissen, ernst gemeint ist oder anders interpretiert werden sollte. Es gehört nicht zu unseren Aufgaben, Organisationen zu stützen oder zu destabilisieren durch den Einsatz von V-Leuten. Nur die V-Mann-Führer müssen demokratisch sein, weil sie Beamte sind. Interview: Franco Foraci