"Freundin" im Keller

■ Deutsche Verlage in Polen: Zu erfolgreich und zu unzüchtig

„Bisher haben wir noch keine Hinweise darauf, daß ausländische Verleger über ihre Zeitungen in Polen versuchen, ausländische Interessen zu vertreten, aber das kann sich ja noch ändern“, verkündete Adam Halber, Abgeordneter der regierenden Sozialdemokraten jüngst in den Hauptnachrichten des polnischen Fernsehens.

Zeitungen und Zeitschriften mit ausländischer Beteiligung als Bedrohung der polnischen Staatsraison – zur Zeit das Lieblingsthema des parlamentarischen Kulturausschusses. Der Angriff auf ausländische Pressekonzerne hat allerdings hauptsächlich einen ökonomischen Hintergrund, denn die meisten Ausländer investieren überhaupt nicht in politische Blätter. Und selbst da, wo sie es tun, haben sie kaum eine Möglichkeit, die politische Linie zu beeinflussen.

Als Polens kommunistischer Monopolkonzern RSW vor vier Jahren aufgelöst wurde, durfte vor allem der französische Verleger Hersant kräftig absahnen: Mit acht Tageszeitungen ist er inzwischen dabei, darunter die landesweite ehemalige Regierungszeitung Rzeczpospolita. Deutsche Bewerber dagegen hatten das Nachsehen – aus politischen Gründen, wie unter der Hand zugegeben wurde. Ihre Zeit kam danach: Entweder kauften sie sich in kapitalschwere Belegschaftsfirmen ein, oder sie gründeten neue Redaktionen. Besonders der Heinrich Bauer Verlag und Gruner + Jahr überschwemmten Polen mit billigen, weil meist nur übersetzten Mutanten ihrer deutschen Jugend- und Hausfrauenillustrierten, von Bravo, Tina, Claudia bis zur Sesamstraße. Der Erfolg war umwerfend und warf einige der einheimischen Produkte auch prompt um: Seit die Bauer-Gazette Tina die Herzen der Frauengemüter erobert, sinkt die Auflagenzahl der traditionsreichen polnischen Freundin in den Keller. Das ist allerdings noch kein Beweis, daß ausländisches Kapital Polens Presse zugrunde richtet: Auch die polnische Freundin ist in ausländischen Händen, sie gehört zu 50 Prozent der Züricher Jean Frey AG. Der Unterschied liegt woanders: Die Herausgeberfirma der Freundin ist mit umgerechnet gerade 10.000 DM Grundkapital etwas schwach auf der Brust. Gruner + Jahr Polen hat im Vergleich dazu sein Kapital inzwischen auf zwei Millionen aufgestockt, Ringier, der mit seinem osteuropäischen Flaggschiff Cash in Polen und Tschechien enorme Gewinne einfährt, liegt bei knapp einer Million DM. Damit lassen sich schon größere Sprünge machen als mit der kanadischen Pentor-Gruppe, die sich in die Frauenzeitschrift Anmut eingekauft hat und seither nicht nur kräftige Defizite zu verbuchen hat, sondern auch noch mit ihren polnischen Partnern in Streit geriet.

„Unsere Jugend wird zugrunde gerichtet durch das, was hier gedruckt wird“, befand ein Experte im Parlament empört, „wenn das so weitergeht, werden wir wie in Italien eine einzige große Mafia haben.“ Was den Abgeordneten mißfällt: zuviel Sex in Frauen- und Jugendzeitschriften, zuviel Gebrauchsanweisungen, zuwenig Moral. Weil's aber ärgerlicherweise den Lesern gefällt, sollen nun Beschränkungen her: Den Volksvertretern schwebt eine Beteiligungsgrenze in Höhe von 33 Prozent für ausländisches Kapital vor, außerdem wollen sie Kontrollen für Jugendzeitschriften.

„Nicht lange, und es werden für unsere Zeitschriften keine Journalisten, sondern nur noch schlechte Übersetzer gebraucht“, kritisiert Adam Halber die Masche mancher deutscher Verlage, einfach ihre deutschen Ausgaben ins Polnische zu übersetzen. Doch längst nicht alle ausländischen Konzerne haben in Polen Erfolg mit ihren Produkten, längst nicht alle verkaufen billige und primitive Massenware. Cash verfügt über eine polnische Redaktion, die speziell für polnische Leser schreibt. Und als leuchtendes Vorbild für bankrotte polnische Verlage ragen Proszynski & Co. aus dem Blätterwald, eine Gruppe polnischer Yuppies, die Ende der achtziger Jahre mit ihren Ersparnissen beschlossen, einen „Ratgeber für Hausfrauen“ herauszubringen, der sich bis heute gehalten hat und die Grundlage für das Proszynski- Presseimperium (ohne ausländisches Kapital) bildet. Über die Ursachen für den Erfolg des Ratgebers – weder billig noch primitiv, aber sehr begehrt – rätseln selbst ausländische Experten.

Einzig Zdobyslaw Milewski von der oppositionellen Freiheitsunion hielt den Ausländern im Parlamentsausschuß die Stange: „Wir brauchen ausländisches Kapital, betrügen wir uns doch nicht selber.“ Bisher ist er damit allein. Seine Gegner dagegen können auf die Unterstützung der Regierung rechnen, die sich von jeher in der Presse unterrepräsentiert sieht. Für sie sind die ausländischen Beteiligungen nicht selten ein Hindernis, selbst Einfluß auszuüben. Wie im Fall der Rzeczpospolita, an der die Regierung 51 Prozent und Hersant 49 Prozent hält. Fragt man deren Redakteure, hätten sie das Verhältnis lieber umgekehrt, „denn Hersant mischt sich wenigstens nicht in die Politik ein“. Aus Warschau: Klaus Bachmann