Im Zirkuswagen auf Arbeitssuche

■ Eigentlich dürfen Handwerker nur mit Meisterbrief selbständig arbeiten, eine "Reisegewerbekarte" macht's auch anders möglich / Unabhängige HandwerkerInnen gründeten jetzt eigenen Berufsverband

Berlin (taz) – Sie sind ein ständiges Ärgernis für die ortsansässigen Handwerksbetriebe: Selbständige, die mit Hammer und Säge, aber ohne Meisterbrief, über die Lande ziehen und auf Baustellen ihre Dienste anbieten. Viele von ihnen arbeiten auf „Reisegewerbekarte“ – und müssen deshalb nicht in die Handwerksrolle der Innung eingetragen sein. In Niederkaufungen gründeten die reisenden Bauhandwerker jetzt einen neuen „Berufsverband Unabhängiger HandwerkerInnen“, um sich über die Probleme des selbständigen Arbeitens ohne Meistertitel besser austauschen zu können.

„Wir wollen uns dafür einsetzen, daß Handwerker ohne Hierarchie und Brimborium ihr Recht auf Arbeit verwirklichen können“, sagt Gründungsmitglied Klaus Müller. Das Problem ist bekannt und betrifft nicht nur die reisenden Zimmerleute: wer in Deutschland als Handwerker selbständig arbeiten will, braucht in der Regel einen Meisterbrief und muß in der Handwerksrolle eingetragen sein. Nicht nur viele ausländische Gewerbetreibende, auch HandwerkerInnen, die nur die hiesige Gesellenprüfung absolvierten, leiden unter dieser Einschränkung.

Die Möglichkeiten, dem Dilemma zu entrinnen, beschreibt Michael Wörle in seinem Ratgeber „Selbständig ohne Meisterbrief“: Wer beispielsweise nur ein handwerksähnliches Gewerbe ausübt (etwa Flickschneider, Klavierstimmer, Schnellreiniger) muß nicht in der Handwerksrolle eingetragen sein. Aber auch wer in einem „richtigen Handwerk“ ohne Chef schubbern will, kann um die Eintragungspflicht in der Handwerksrolle herumkommen: durch den Besitz einer Reisegewerbekarte, die auch ohne Gesellen- oder Meisterbrief ausgestellt wird.

„Diese Möglichkeit ist noch relativ wenig bekannt“, so Müller. Ähnlich wie bei Markthändlern ist das Reisegewerbe keine stehende, ortsgebundene Gewerbeart. „Damit gilt hier auch nicht die Handwerksordnung“, resümiert Wörle. Der Knackpunkt: Wer auf Reisegewerbekarte Hammer oder Kelle schwingt, muß laut Gesetz „ohne vorherige Bestellung“ und außerhalb seiner festen Niederlassung tätig werden. Die selbständig Reisenden dürfen damit nicht mit Inseraten für sich werben, sondern müssen sich vor Ort anbieten.

Das tut auch Klaus Müller. Als gelernter Zimmerer und Spezialist für Fachwerkbauten reist er im Zirkuswagen über die Lande, die Mappe mit Fotos seiner bisherigen Restaurationsarbeiten im Gepäck. „Ich habe mich auf denkmalpflegerische Fragen spezialisiert“, erzählt Müller. Ähnlich wie die anderen Verbandsmitglieder hat er eine Gesellenprüfung absolviert. Für seinen Reisebetrieb hat er eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Auf Niveau will er auch bei den von ihm mitgegründeten Berufsverband achten. Nicht billige, unqualifizierte Schwarzarbeiter, sondern unabhängige Fachkräfte sind die Klientel des Verbandes. „Wichtig ist für uns, darauf zu achten, daß das Niveau so bleibt“, betont Müller.

30 bis 40 Mitglieder schlossen sich bisher zum „Berufsverband Unabhängiger HandwerkerInnen“ zusammen. Viele der neuen Mitglieder klagten über ihre zum Teil sehr negativen Erfahrungen mit den Ordnungsämtern bei der Ausstellung eines Reisegewerbescheins. Auch die Handwerkskammern wollten sich mit dem Vorwurf der Schwarzarbeit die lästige Konkurrenz am liebsten vom Halse schaffen. Der Geschäftsführer der Handwerkskammer Berlin, Dietrich Krause, sieht das Problem nicht so sehr in der Befähigung, sondern vor allem im „Selbständigen“-Status der reisenden Handwerker.

„Für uns sind das verdeckte Arbeitnehmer“, meint Krause, „zumeist benutzen sie das Handwerkszeug des Auftraggebers, halten sich an dessen betriebliche Zeiten.“ Gleichzeitig gelten sie aber als offiziell Selbständige, und zahlen damit keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Daher, so befindet Krause, sei das Ganze „eine Problematik des Arbeitsamtes“. Barbara Dribbusch