Lückenlose Aufklärung?

■ Polizeischuß auf Kurden vermutlich aus dreißig Zentimeter Entfernung

Hamburg/Köln (AFP/dpa) – Der tödliche Schuß auf den 16jährigen kurdischen Asylbewerber Ayhan Eser ist nach bisherigen Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft vermutlich aus einer Distanz von 20 bis 30 Zentimetern abgefeuert worden. Oberstaatsanwalt Nikolaus Borchers sagte gestern, für eine exakte Aussage müsse aber noch das kriminaltechnische Gutachten abgewartet werden. Nach einem rechtsmedizinischen Gutachten über den Schußkanal soll mit Ballistikern auch geklärt werden, wie der Beamte gestanden haben muß. Untersucht wird auch ein Geschoß, das in der Nähe des Tatorts entdeckt wurde. Sollte es aus der Waffe des Beamten stammen, passe der Fundort nicht zur Schußrichtung. Der 28jährige Polizist, der nach eigenen Angaben den Jungen bei einem Gerangel ungewollt niedergeschossen hat, hat mittlerweile einen Kurzurlaub angetreten.

Inzwischen forderten Politiker von CDU und SPD eine rasche und lückenlose Aufklärung des Todes von Eser. Gleichzeitig wandten sie sich aber gegen Gewaltaktionen der Kurden. Am Wochenende waren wiederholt Molotowcocktails und Steine gegen Polizeireviere und Streifenwagen geworfen worden.

Die geringe Entfernung zwischen dem Schützen und Eser, so die Staatsanwaltschaft, spreche nach Ansicht von Kriminologen eher für die Aussage des Polizeiobermeisters, der Schuß habe sich ungewollt bei seinem Versuch gelöst, die beim Gerangel aus dem Halfter herausgerutschte Waffe wieder zurückzuschieben.

Außerdem warte die Staatsanwaltschaft jetzt auf die Benennung von Zeugen, die gesehen hätten, daß der Beamte gezielt auf den flüchtenden Eser geschossen hat. Noch gebe es jedenfalls keinen Hinweis für einen Vorsatz des Beamten. Der Polizeiobermeister hatte in der Nacht zum Freitag zusammen mit einem Kollegen Eser und andere junge Leute beim Kleben von Plakaten der verbotenen kurdischen Organisation ERNK überrascht und nach deren Flucht verfolgt.