Für den Dalai Lama gab es keinen roten Teppich

■ Großes Protokoll, kleine Moral: amnesty international zum Li-Peng-Besuch in Berlin

Dirk Pleiter ist China-Experte von amnesty international in Berlin.

taz: Li Peng besucht Berlin, und großes Protokoll ist angesagt. Verwundert das amnesty?

Dirk Pleiter: Amnesty hat grundsätzlich keine Position dazu, daß Beziehungen gepflegt werden zwischen der Bundesrepublik und China. Jedoch fordern wir, daß bei der Pflege solcher Beziehungen die Menschenrechte eine herausragende Rolle spielen. Schließlich hat sich die Situation in der Volksrepublik seit dem Massaker 1989 nicht verbessert.

Für Li Peng wird der rote Teppich ausgerollt, und die Eintragung ins Goldene Buch der Stadt ist geplant. Hätte Berlin da etwas zurückhaltender sein sollen?

Ja, durchaus. Wir haben zudem den Regierenden Bürgermeister als auch die Präsidentin des Abgeordnetenhauses aufgefordert, die Menschenrechte beim Gespräch mit Li Peng deutlich anzusprechen. Noch viel wichtiger ist uns allerdings, daß bei der Pflege der Beziehungen zwischen Berlin und der neuen Partnerstadt Peking vor allem Menschenrechte eine Rolle spielen, weil man nur auf Dauer eine Verbesserung der Menschenrechtssituation erreichen kann.

Wie haben Laurien und Diepgen auf die Aufforderung reagiert?

Bislang haben wir keine Reaktion.

Nach der Kritik an der Städtepartnerschaft mit Peking wäre nun Gelegenheit für den Regierenden Bürgermeister, das Thema deutlicher anzusprechen.

Das ist richtig. Entscheidend aber ist eine Politik mit dem langfristigen Ziel, die Menschenrechte zu verbessern. Es reicht nicht aus, sporadisch auf einzelne Gefangene zu sprechen zu kommen, wie es ja durchaus auf Bundesebene geschieht. Es muß eine Menschenrechtspolitik formuliert werden, in der dann auch konkrete Probleme benannt werden: Wie kann zukünftig verhindert werden, daß politische Dissidenten inhaftiert werden? Wie kann auf die Volksrepublik China solch ein Druck ausgeübt werden, damit Folter und Mißhandlungen dann tatsächlich und nicht nur auf dem Papier verboten sind?

Berlin ist nicht zu einem großen Empfang für Li Peng verpflichtet. Ist der Dalai Lama mit den gleichen Ehren empfangen worden?

Nein. Der Regierende Bürgermeister hat ihn lediglich privat empfangen, und ins Goldene Buch hat er sich auch nicht eingetragen. Allerdings muß hinzugefügt werden, daß der Dalai Lama von der Bundesregierung überhaupt nicht empfangen wurde. Das empfinden wir vor allem deswegen als skandalös, weil die Bundesregierung die chinesische Führung dazu auffordert, das Dialog-Angebot des Dalai Lama aufzugreifen. Wie kann der Dalai Lama denn ernsthaft als Gesprächspartner angedient werden, wenn er nicht einmal in Deutschland als Gesprächspartner akzeptiert wird. Gespräch: Gerd Nowakowski