Schüttelt Staffelt Li Peng nicht die Hand?

■ Chinesischer Ministerpräsident in Berlin: SPD will gesondertes Rederecht zum Thema Menschenrechte

Der heutige Empfang des chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng im Charlottenburger Schloß wird möglicherweise ohne die SPD stattfinden. In allerletzter Minute hatte die SPD gestern nachmittag versucht, für ihren Landes- und Fraktionsvorsitzenden Ditmar Staffelt oder die Arbeitssenatorin und Bürgermeisterin Christine Bergmann ein gesondertes Rederecht zum Thema Menschenrechte zu erhalten. Unklar blieb bis Redaktionsschluß, ob das Protokoll eine solche Ausnahmeregelung überhaupt zuläßt. „Wenn Staffelt oder Bergmann nicht zur Situation der Menschenrechte sprechen dürfen, werden unsere Senatoren der Veranstaltung fernbleiben“, versicherte gestern SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. „Ditmar Staffelt will nicht als Staffage dienen.“

Der chinesische Ministerpräsident, der als einer der Hauptverantwortlichen des Massakers vom August 1989 gilt, wird nach einer Stippvisite beim brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe am Nachmittag im Charlottenburger Schloß empfangen und sich dort ins Goldene Buch der Stadt eintragen. „Wir hätten es lieber gesehen, wenn darauf verzichtet worden wäre“, bedauerte Stadtmüller die Ehrung.

In der Protokollabteilung der Senatskanzlei hieß es lapidar, die Eintragung ins Goldene Buch erfolge „quasi automatisch“ bei jedem Besuch eines Staatsoberhauptes oder Regierungschefs. Von dieser Gepflogenheit sei Berlin „noch nie“ abgewichen. Nach Aussage des Senatssprechers Michael-Andreas Butz will der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) die Frage der Menschenrechte im Gespräch mit Li Peng erörtern und auch eine Liste von amnesty international mit den Namen politisch Verfolgter übergeben. Diese Liste war Diepgen gestern von Bergmann auf einer Senatssitzung überreicht worden. Ganz oben auf der Liste der Menschenrechtsorganisation steht der Bürgerrechtler Wei Jingshang, der seit April dieses Jahres in Berlins Partnerstadt Peking in Haft sitzt.

Chinesische Oppositionsgruppen, amnesty international sowie Parlamentarier aus dem Abgeordnetenhaus wollen den Besuch von Li Peng mit Protestveranstaltungen begleiten. Heute nachmittag gibt es Mahnwachen an der Urania (ab 16 Uhr) sowie gegenüber dem Hotel Grand Esplanade am Lützowufer, wo Li Peng übernachten wird. Am Abend wollen zwei Organisationen vor dem Charlottenburger Schloß der Opfer gedenken. Wenn Li Peng morgen früh um neun Uhr das Brandenburger Tor besucht, wollen ihn Abgeordnete, unter anderem vom Neuen Forum und von der SPD, mit Transparenten empfangen. Severin Weiland