Verzicht auf Arbeiterrechte am Standort China

■ In den USA ist die Debatte um die Menschenrechte konkreter / Importverbot für Produkte aus den chinesischen Arbeitslagern / China will sich nicht drängen lassen

Berlin (taz) – Im Jahr 2010 kommt Tang Yuanjuan frei – wenn er nicht das Glück hat, daß sich das politische System Chinas früher liberalisiert. Vielleicht wird er im Gegenzug für günstige Kredite oder andere nützliche Zusagen einer ausländischen Regierung vorzeitig aus der Haft entlassen. Das könnte diese Regierung, die vielleicht in Bonn sitzen mag, dann als Erfolg ihrer „vertrauensvollen und vertraulichen“ Beziehung verbuchen, von der Bundeskanzler Kohl am Montag in Bonn sprach. Doch diese Hoffnung ist äußerst gering: Es gibt ja Tausende politische Gefangene in Chinas Gefängnissen und Arbeitslagern. Ihre Zahl ist nicht bekannt, es können auch weitaus mehr sein, Zehn- oder Hunderttausende.

Die meisten aber werden nicht mit einer politischen Anklage, sondern als gewöhnliche Kriminelle verurteilt. Aufgrund Störung öffentlicher Ordnung oder ähnlicher Beschuldigungen. Die chinesischen Behörden veröffentlichen keine Statistiken dazu.

Tang Yuanjuan wurde gemeinsam mit drei anderen nach dem Massaker an den DemonstrantInnen der Demokratiebewegung am 10. Juni 1989 verhaftet und Ende 1990 vor Gericht gestellt. Grund: Er hatte sich für mehr Demokratie und Arbeiterrechte in einer Automobilfabrik der Stadt Changchun engagiert. Sein Kollege Li Wei wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt, Tang Yuanjuan zu 20 Jahren. Das Schicksal der beiden anderen ist unklar. Die Automobilfabrik in Changchun gehört zu den Firmen, mit denen das chinesisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmen von Volkswagen in Shanghai zusammenarbeitet. Auf Nachfrage von Menschenrechtlern bei VW hatte Volkswagen in Wolfsburg erklärt, keine Informationen über diesen Fall zu haben.

Anders als in den USA, wo die Debatte um die Situation in chinesischen Arbeitslagern und Gefängnissen nicht erst seit 1989 in der Öffentlichkeit geführt wird, sieht Dirk Pleiter, Mitarbeiter der deutschen China-Gruppe von amnesty international, ein solches Interesse der deutschen Öffentlichkeit nicht. Es sei heute schon schwer, für Kundgebungen und Mahnwachen wie beim Li-Peng-Besuch zu mobilisieren.

Mit ihrer Kampagne gegen den Import chinesischer Produkte, die in den Arbeitslagern und Gefängnissen hergestellt werden, haben US-amerikanische Menschenrechtsorganisationen wie Asia Watch in den vergangenen Jahren die Unterstützung von Gewerkschaften und Kongreßabgeordneten gesucht und – gefunden. Nach jahrelanger Lobbyarbeit konnten sie durchsetzen, daß sich Peking gegenüber Washington verpflichtete, keine aus Gefangenenarbeit stammenden Waren in die USA zu exportieren. Als der aus China stammende Harry Wu, der jahrelang in chinesischen Arbeitslagern gesessen hatte, im Frühjahr zeigte, daß China diese Übereinkunft gebrochen hat, sah US-Präsident Bill Clinton sich erneut genötig, dies zu verurteilen. Harry Wu hatte zuvor heimlich einige dieser Lager besucht. Als die BBC einen Film über die Lager auch nach China ausstrahlen wollte, schalteten die Behörden in Peking die Ausstrahlung einfach ab.

So laut wie in den USA allerdings ist diese Debatte in der Öffentlichkeit kaum eines Landes. In Großbritannien und Frankreich beginnen sich erst langsam Gruppen zu bilden, die ähnlich konkret arbeiten wollen. In den USA ist auch die Forderung nach einem Code of Conduct für amerikanische Firmen lauter geworden, die in China – und anderen Ländern – investieren oder produzieren. Dabei steht die Forderung nach Arbeiterrechten und Schutz der Arbeitssicherheit in den Betrieben in China im Vordergrund. Peking jedoch will sich keinesfalls auf eine Sozialklausel verpflichten lassen, um in das Gatt aufgenommen zu werden. Begründung: Dann verschwinden die Vorteile des Produktionsstandortes China. Jutta Lietsch