Schild und Schwert für Thüringens CDU

Mit Verfassungsschutz-Informationen will die CDU in Thüringen gegen die PDS zu Felde ziehen / Christdemokraten versuchen, die illegale Datenweitergabe nachträglich zu rechtfertigen  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Kleiner Fehler, große Wirkung. Bei der Eingabe der Fax-Nummer irrte der Verfassungsschützer, der dreiseitige Vermerk über die PDS – „hier: außerparlamentarischer Kampf“ – landete plötzlich auf dem falschen Schreibtisch. Als Adressat vermerkte das Schreiben vom 19. Juni mit dem Vermerk „Eilt! Sofort auf den Tisch!“ den Pressesprecher der Thüringer CDU-Landtagsfraktion, einen Herrn namens Holger Doetsch. Tatsächlich landete das Papier aber bei der Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen. Am 1. Juli war damit der kurze Draht zwischen der CDU-Fraktion und Thüringens Verfassungsschutz, so klandestin wie rechtswidrig, mit einem Schlag offengelegt.

Die illegale Zuarbeit der Verfassungsschützer für den Wahlkampf der CDU (im Oktober wird in Thüringen ein neuer Landtag gewählt) ist inhaltlich nicht einmal das verwendete Fax-Papier wert. Zitiert wird das parteiinterne, aber jedem zugängliche PDS-Diskussionsblatt „Disput“. Ausgewertet wurde weiter das Neue Deutschland, das Landesamt bezieht, wie aus den Schreiben ersichtlich wird, auch den Pressedienst der PDS. Aufgegriffen wurden im wesentlichen Berichte über einen „Widerstandskongreß“ der PDS-Arbeitsgruppe Junge GenossInnen Mitte Mai in Strausberg. Bemerkenswerte Erkenntnis der verbeamteten Verfassungsschützer: Es gebe PDS-Mitglieder, die die Meinung vertreten, „es gäbe Situationen, in denen gewaltsamer Widerstand berechtigt sei“.

Die Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen, Christine Grabe, nennt die aufgeflogene Aktion „einen ungeheuerlichen Vorgang“. Rechtliche Schritte will die Fraktion jetzt prüfen, „in jedem Falle sind hier personelle Konsequenzen gefordert“. Zu einer ähnlichen Wertung kommt auch die Landtagsfraktion der SPD. Deren rechtspolitischer Sprecher Kurt Weyh: „Gerade in Wahlkampfzeiten ist der CDU offenbar jedes noch so fragwürdige Mittel recht, um politische Gegner auszuspähen und sich Wahlvorteile zu sichern.“ Der Verfassungsschutz dürfe nicht „zur Stasi der CDU umfunktioniert werden“.

CDU-Landtagssprecher Holger Doetsch mußte einräumen, den Verfassungsschutz wegen entsprechender Informationen angegangen zu haben. Zusammen mit dem Sprecher des Innenministeriums, Stephan Neuhoff, brütete er dann eine Sprachregelung aus, die ebenso geschickt wie falsch ist. Weil es sich bei den übermittelten Information um öffentlich zugängliche Materialien handele, schwindelte Neuhoff der dpa-Agentur vor, habe sein Ministerium gegenüber den Landtag und seinen Fraktionen sogar eine Informationspflicht. Um dem Ganzen noch eins drauf zu setzen, behauptete er weiter, selbst die PDS habe auf diesem Wege schon Informationen erhalten.

Die PDS dementierte nicht nur umgehend, derartige Informationen erhalten zu haben. Auch von der behaupteten Informationspflicht kann keine Rede sein. Im Bundesland Thüringen wird die PDS zwar als „Verdachtsfall“ für verfassungsfeindliche Bestrebungen gewertet.

Eine Einschätzung, die selbst schon unter den Verfassungsschützern aus Bund und Ländern schwer umstritten ist. Die Weitergabe von Dossiers legitimiert der Thüringer Verdacht aber noch lange nicht. Selbst wenn es diese konstruierte Informationspflicht gäbe – das Innenministerium und nicht das Landesamt wäre für die Weitergabe von Informationen zuständig. Empfänger dürfte dann auch nicht der Landtagssprecher, es müßte schon der Fraktionsvorstand sein.

Der Vorstoß der Erfurter Landesregierung, die „kommunistische Plattform“, eine Gruppe innerhalb der PDS, als linksextrem einzustufen und zu beobachten, taugt als Rechtfertigung auch nicht.

Den ausgesprochen kurzen Draht zwischen Verfassungsschutz und CDU belegt auch ein Vermerk am Ende der fehlgeleiteten dreiseitigen Auskunft. Mit dem üblichen Dienstweg nicht vereinbar, vermerkte der Verfassungsschutzmitarbeiter handschriftlich: „Mit Bitte um Tolerierung der Tippfehler. Der Eile wegen mit Handkorrektur abgesandt!“ Die parlamentarische Kontrollkommission des Landtages wird sich heute mit den Vorfällen befassen.