Kinkels Wunschzettel

■ Liste drängender Menschenrechtsfälle an Chinas Premier Li Peng übergeben

Bonn (dpa/AFP/AP) – Wir wissen nicht, was Krokodilsträne auf chinesisch heißt. Weiß es FDP-Außenminister Klaus Kinkel? Gestern jedenfalls überreichte er dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Peng höchst dezent eine Liste mit Namen von politischen Gefangenen in der Volksrepublik. Die chinesische Seite habe die Liste „zur Kenntnis genommen“, hieß es hinterher ebenso dezent vom Auswärtigen Amt. Sicherheitshalber wurde angefügt, daß die Kinkel- Liste eine andere sei als diejenige Namensaufstellung, die Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) bei seiner Chinareise im vergangenen Jahr präsentiert hatte. Wie viele Namen auf der Liste des Außenministers standen, war nicht bekannt. Es handele sich um „besonders gravierende Fälle“, die Namen der Gefangenen stammten von amnesty international und „aus anderen Quellen“. Kinkel habe auch die Lage im von China annektierten Tibet angesprochen.

Die Bonner Politik des offenen Portemonnaies war zuvor auch aus Reihen der CDU kritisiert worden, weil in China fünf Jahre nach der Niederschlagung der chinesischen Demokratiebewegung die Menschenrechte weiter mit Füßen getreten werden. Li Peng wird für das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 verantwortlich gemacht. Quasi als Wiedergutmachung im Gepäck hatte Li Peng neben Wirtschaftsaufträgen die chinesische Unterstützung für den deutschen Wunsch nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat.

Bundespräsident Roman Herzog (CDU) nahm unterdessen unverkrampft die von Li Peng überbrachte Einladung für eine baldige Chinareise an. Auch Herzog hat nach Angaben des Präsidialamtes bei seiner Begegnung mit seinem ersten ausländischen Gast die Menschenrechtsfrage „angesprochen“. Vor einer Runde von Unternehmern und Managern verbat sich Li Peng gestern eine Einmischung in „innere Anlegenheiten“ und forderte „gegenseitige Achtung“. Siehe auch Seiten 6 und 10