Frequenz-Allerlei

■ Baden-Württemberg vergibt neue Privatfunk-Lizenzen

Sie tun gerade so, als ob sie gerade das Röhrenradio neu erfinden würden. Top-secret ging es während der vergangenen Monate zu unter den privaten Radiomachern in Baden-Württemberg. „Da können wir wirklich gar nichts sagen“, war die gängigste Antwort auf Anfragen. Geschäftsführer und Verleger ließen sich am liebsten verleugnen.

Grund: Der Medienrat aus Vertretern von Kirchen, Parteien und Verbänden segnet in diesen Tagen die Entscheidungen der Stuttgarter Landesanstalt für Kommunikation (LfK) zur Neuvergabe der privaten Rundfunkfrequenzen im Ländle ab. Die Herrschaften sollen durch Presseveröffentlichungen nicht mißgestimmt werden.

Vergangene Woche konnten bereits zehn der 171 Bewerber die Sektkorken knallen lassen. Am Montag folgten vier weitere. Bis zum Oktober sollen schließlich alle 19 zu vergebenden Frequenzen verteilt sein, davon jeweils drei Bereichssender für Baden, Württemberg und Südost-Württemberg sowie eine Flächenfrequenz von Stuttgart bis Ulm.

Die spannendsten Entscheidungen will der Medienrat allerdings erst im August treffen. Dann geht es um die Stuttgarter Stadtfrequenz 107,7 und die Regionalfrequenz 105,7, die fast das gesamte Sendegebiet des dritten SDR- Programms abdeckt. Noch sei alles offen, erklären Bewerber und LfK auf Anfragen. Doch das ist glatt gelogen, munkelt man jedenfalls schon seit langem in der Schwabenmetropole. So drängt der baden-württembergische Wirtschaftsminister Dieter Spöri (SPD) Hand in Hand mit CDU- Fraktionschef Günter Oettinger darauf, daß die Konkurrenz-Frequenz zum SDR-Programm an die Dudelfunker von RTL gehen soll, die schon jetzt ihr Berliner Programm zum Teil in Stuttgart produzieren und gleichzeitig von Berlin aus auch für Stuttgart senden.

Der Grund für Spöris Engagement: Stuttgart soll Medienstadt werden – und da will man nicht auch noch die Radio-RTLer verlieren, nachdem die Stadt bei der Standort-Vergabe des zweiten RTL-TV-Programms nach München schon leer ausgegangen war.

„RTL wird die Frequenz kriegen“, versichert denn auch eine SPD-Landtagsabgeordnete. Und ein LfK-Mitarbeiter bestätigt hinter vorgehaltener Hand, daß der RTL-Mitbeweber, das französische Radio Energy (NRJ), aus dem Rennen sei. Der Pariser Erfolgssender hatte in den vergangenen Jahren den deutschen Markt entdeckt: In Leipzig, Dresden und Chemnitz fungieren die Franzosen als Teilhaber, hinzu kommen Berlin und München (vormals Radio Xanadu).

In Schwaben sollen die kauffreudigen Franzosen nun ihren ersten Dämpfer erhalten. Denn ähnlich aussichtslos wie bei der Flächenfrequenz sieht es für NRJ auch bei der Stuttgarter Stadtfrequenz 107,7 aus. Um die bewirbt sich auch der Stuttgarter Verleger Frieder Willmann, dessen „Stadtradio“ auf dem Kanal schon jetzt stundenweise ein Schlager-Programm abnudelt. 50 Prozent hält Willmann an der Radiostation zusammen mit einem Zeitungsverlag aus dem benachbarten Ludwigsburg, die anderen Teile hat der Schwabe für eine zugkräftige Lobby bereitgehalten. Darunter der Stuttgarter Musical-König Rolf Deyhle und zwei Landtagsabgeordnete, die sich allerdings der gewünschten Lobbyarbeit bislang erfolgreich zu verweigern wußten.

Doch der NRJ-Gegner weiß noch eine ganz andere Unterstützer-Front auf seiner Seite: Mit im Boot seines Anzeigenblattes, dem Stuttgarter Wochenblatt, an dem er eine Minderheitsbeteiligung hält, sitzt auch das Stuttgarter Pressehaus aus Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. Die Beziehungen erscheinen exzellent. Noch eine Maultaschen-Connection?

Dabei haben sich die Franzosen mächtig Mühe gegeben. So einigten sie sich mit zwei bis Mai noch kräftig zerstrittenen Stuttgarter Radiomachern auf eine gemeinsame Bewerbung um die Stadtfrequenz. Die beiden teilen sich den Kanal derzeit noch mit dem einflußreichen Verleger und senden anders als Willmann Techno- House statt Egerländer. Ein Kuriosum für sich und einer jener Gründe, weshalb die baden-württembergische Landesregierung das alte, noch von Lothar Späth durchgesetzte Landesmediengesetz novellieren mußte. Privatfunk-Fan Späth hatte damals landauf, landab die Lokalsender aus dem Boden schießen lassen. Die erhofften Gelder freilich blieben aus. Die Qualität der Sender sackte genauso in den Keller wie die Honorare der freien Mitarbeiter.

Mit der Neuvergabe will die LfK nun die Überlebensfähigkeit der verbleibenden Sender sichern. Die Gebiete werden größer, und pro Frequenz soll es – bis auf eine Ausnahme – nur noch einen Anbieter geben. Jetzt könnte es also ans Geldverdienen gehen. Und so umgarnen die Sender ihre Medienräte: „Sieben bis acht“ Einladungen, so ein Mitglied des zuständigen Gremiums, hätten ihn erreicht mit der Aufforderung, „sich doch einmal den Sender anzuschauen“. „Ganz unverbindlich“, versteht sich. Frank Hofmann