Walesa und Clinton gegen Kohl und Jelzin

■ Trotz vieler Enttäuschungen setzt Polen weiter auf die Unterstützung der USA

Warschau (taz) – Die Innenstadt ist abgesperrt, die Busse und Straßenbahnen stauen sich, amerikanische Limousinen rasen mit Blaulichtbegleitung hin und her, der Luftraum über Warschau ist gesperrt, und die Anwohner dürfen nicht mehr ihre Balkone benutzen, bis der hohe Gast weg ist. „Da ist doch dieser Amerikaner“, grübeln zwei junge Mädchen an einer Straßenbahnhaltestelle angestrengt über die Ursachen des sie umgebenden Chaos nach, „dieser Kennedy, oder wie der heißt“.

Wenn es aber eines Beweises bedurft hätte, daß die Polen den amerikanischen dem russischen Präsidenten vorziehen, so liefern diesen die Sicherheitsmaßnahmen in Warschau beim 26-Stunden-Besuch des US-Präsidenten. Als Jelzin letztes Jahr in der polnischen Hauptstadt weilte, waren die Bestimmungen für das winkende Publikum recht locker. Nun jedoch sind die Möglichkeiten, Bill Clinton zu Gesicht zu bekommen, äußerst gering: schon am Vortag wurde der Lazienki-Park abgeriegelt, auf den bloßen Verdacht hin, Clinton könne womöglich morgens joggen wollen. Aber nicht nur deshalb klatscht keiner, wenn Clinton durch Warschau fährt. Denn Polen will etwas ganz Konkretes hören von Clinton, etwas, was dieser aller Voraussicht nach nicht zu sagen bereit ist: Polen wartet auf einen Zeitplan für seine Aufnahme in die Nato.

Bei seinem Besuch hat der amerikanische Präsident alles vermieden, was als Bevorzugung Polens ausgelegt werden könnte. Zunächst fuhr er nach Riga und erst danach nach Warschau, und als er dort erstmals vor die Presse trat, sprach er von Polen nur als „einem der 21 Länder, die der Nato-Friedenspartnerschaft beigetreten“ seien. Und die sei zwar „der erste Schritt zur Nato-Mitgliedschaft“, aber das hatte er so ähnlich auch schon vorher gesagt. Konkreter werde es nicht werden, sickerte aus Delegationskreisen durch. Polen habe seine Hoffnungen immer mit den USA verbunden, erklärte Lech Walesa Bill Clinton. Und er soll hinter verschlossenen Türen noch hinzugefügt haben, an reinen Papiergarantien habe Polen kein Interesse mehr.

Polens Öffentlichkeit blickt immer noch hoffnungsvoll nach Amerika, doch die Hoffnung ist in den letzten Jahren kleiner geworden, besonders seit in Washington nicht mehr die antikommunistischen Falken der Reagan- und Bush-Administration, sondern Politiker herrschen, für die Außenpolitik erst an zweiter Stelle kommt. Mit Bush verlor Polen auch die guten Drähte ins Weiße Haus. Einige von Clintons Chefberatern gelten in Polen nicht ganz zu Unrecht als ausgesprochen Russophile. Und daß Jelzin Polens Nato-Aspirationen sabotierte, hat in Polen weniger zu antirussischen als vielmehr zu antiwestlichen und antiamerikanischen Gefühlen beigetragen.

Trotzdem ist Polen immer noch eines der amerikafreundlichsten Länder der Welt: Selbst der CIA darf sich in Polen wie zu Hause fühlen. Das hängt auch damit zusammen, daß besonders Polens Rechte und Teile der herrschenden Koalition die USA-Präsenz in Europa als Gegengewicht zu Deutschland und Rußland betrachten. Das Europa von Maastricht gilt ihnen als deutsch dominiert, schon deshalb warnen sie vor allzu heftiger Kritik an den USA. Doch im Vergleich zu Zeiten Bushs hat die Amerika-Begeisterung in Polen merklich nachgelassen. Klaus Bachmann