Ruanda: Eine Regierung der harten Hand

Oppositioneller Hutu-Politiker Twagiramungu will Regierung bilden / Sie wird von der UNO unterstützt / Doch die neuen Herren hegen ein tiefes Mißtrauen gegen die Bevölkerungsmehrheit  ■ Von Bettina Gaus

Berlin (taz) – Der militärische Sieg der ruandischen Rebellenbewegung RPF (Patriotische Front Ruandas) und die Eroberung der Hauptstadt Kigali waren von Beobachtern seit Wochen erwartet worden – politisch aber sind die Sieger des Bürgerkrieges nicht stark genug, um den zentralafrikanischen Staat zu kontrollieren. Die von RPF-Kommandeur Paul Kagame angekündigte – und von der UNO gutgeheißene – Bildung einer „Regierung der Nationalen Einheit“ trägt dieser Tatsache Rechnung, aber es ist fraglich, auf wen die RPF in Ruanda als Bündnispartner noch zählen kann. In den letzten Monaten sind neben Angehörigen der Bevölkerungsminderheit der Tutsi, die das Rückgrat der RPF bildet, auch Tausende aus den Reihen der Hutu-Mehrheit ermordet worden, die als Kritiker des am 6. April getöteten Präsidenten Juvenal Habyarimana galten.

Allerdings haben einige prominente Oppositionspolitiker das Blutbad überlebt, unter ihnen auch Faustin Twagiramungu, der im 1993 zwischen Regierung und RPF geschlossenen Friedensvertrag namentlich als künftiger Premierminister festgeschrieben worden war. Der in Kanada ausgebildete Exilpolitiker kündigte am Mittwoch bei einem Besuch der EU in Brüssel an, die Regierungsbildung zu übernehmen. Es muß jedoch befürchtet werden, daß die Mehrheit seiner Anhänger den Massakern zum Opfer gefallen ist. Gemordet wurde in Ruanda eben nicht nur entlang der ethnischen Linien.

Das gestürzte Regime hatte sich der Existenzängste der Bevölkerung bedient und diese geschürt, um an der Macht festhalten zu können. Hutu-Kleinbauern in dem am dichtesten besiedelten Staat Afrikas fürchteten die von der RPF angestrebte Rückkehr von Hunderttausenden von Tutsi-Exilruandern in ihre Heimat und die dadurch drohende weitere Verknappung der allzu schmalen Ressourcen. Neunzig Prozent der Ruander leben von der Landwirtschaft. Die RPF hat Grund, mit der anhaltenden Gegnerschaft zahlreicher Bauern auch weiterhin zu rechnen. Die Folge: ein tiefes Mißtrauen der neuen Herren gegenüber der von ihnen zu regierenden Bevölkerungsmehrheit. Die Bewohner in weiten Landstrichen der von der Rebellenbewegung eroberten Gebiete waren in den letzten Monaten zwangsweise in Sammellagern zusammengepreßt worden, um, wie RPF-Sprecher erklärten, „Sabotageakte“ zu verhindern.

Die Überzeugung, von Gewaltakten auch künftig bedroht zu sein, kann dazu führen, daß die RPF in Ruanda nun mit harter Hand regiert, zumal in ihren eigenen Reihen sehr unterschiedliche politische Richtungen bis hin zu Verfechtern der Tutsi-Monarchie vertreten sind. Der Massenmord an Anhängern der demokratischen Opposition in den letzten Monaten durch Milizen der früheren Einheitspartei und Teile der Armee vergrößert jetzt die Gefahr, daß die neue Regierung in Kigali autoritäre Strukturen aufbaut, die zu überwinden die RPF ursprünglich einmal angetreten war.

Die französische Präsenz in Ruanda droht zu einer weiteren Polarisierung der Lage zu führen. Die sogenannte „Schutzzone“ im Südwesten des Landes ist jetzt das Sammelbecken der Anhänger der alten Regierung. Besteht die faktische Teilung des Landes fort, dann entsteht aufgrund der französischen Einmischung in dem Bürgerkrieg der Eindruck, die Machtfrage in Ruanda sei noch nicht entschieden. Dieser Eindruck verstärkt sich, je länger die Situation unverändert bleibt. Das verbessert die Aussichten von Repräsentanten des gestürzten Regimes, Verhandlungen mit der RPF und eine Beteiligung an der Macht zu fordern. Paris, langjähriger Verbündeter von Präsident Habyarimana, könnte damit sein Interesse, den französischen Einfluß in Ruanda zu erhalten, auch dann verfolgen, wenn die ausländischen Truppen sich tatsächlich darauf beschränken, ausschließlich humanitäre Aufgaben zu erfüllen.