Auch Zivis sollen weniger arbeiten

■ SPD und Teile der FDP wollen bei Verkürzung des Wehrdienstes auf zehn Monate auch den Zivildienst nicht ungeschoren lassen / Auch Wohlfahrtsverbände für moderate Kürzung des Zivildiensts

Bremen (taz/dpa/AP) – Falls der Wehrdienst von zwölf auf zehn Monate reduziert wird, darf der Zivildienst nicht unverändert bleiben. Das forderte gestern die Bremer Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer. „Es wäre ein grobes Unrecht, wenn die Zivildienstleistenden, die schwere, aber friedliche Dienste leisten, künftig weiterhin fünfzehn Monate dienen müßten“, sagte der Vorsitzende der Zentralstelle, Ulrich Finckh. Ihr Leistungen dauerten dann um die Hälfte länger als der Wehrdienst.

Wie gestern gemeldet, wollen Teile der Bonner Unionsfraktion die Angleichung des Zivildienstes verhindern, indem nach Ablauf des Wehrdienstes eine zweimonatige „Verfügungsbereitschaft“ eingeführt wird. Dazu Finckh: „Das hat es seit dem Mauerbau nicht mehr gegeben.“

Die SPD und einige FDP-Politiker sprachen sich dagegen gestern für eine Angleichung des Ersatzdienstes aus. Die jugendpolitische Sprecherin der Bonner SPD-Fraktion, Hanna Wolf, sprach von einer „Diskriminierung des Zivildienstes und Verzerrung der Wehrgerechtigkeit“, gegen die sich die SPD mit allen Mitteln einsetzen werde. Zwar würde die Beibehaltung der Zivildienstzeit die Kassen der sozialen Dienste vor einer neuen Belastung bewahren. Doch stigmatisiere der offensichtliche Strafcharakter dieser Regelung jegliche soziale Tätigkeit, ob als Ehrenamt, als Ersatzdienst oder als Beruf. Die SPD-Politikerin äußerte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Koalitionspläne, da laut Grundgesetz die Dauer des Ersatzdienstes die Dauer des Wehrdienstes nicht überschreiten dürfe.

Für die Verringerung der Zivildienstzeit sprachen sich gestern auch die Wohlfahrtsverbände aus, sie warnten aber zugleich vor einer zu starken Verkürzung, die die Situation der sozialen Betreuung deutlich verschlechtern würde. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege befürchtet einen Rückgang der Zahl der Zivildienstleistenden, sollte die Ersatzdienstzeit unverändert bleiben. Bereits jetzt könnten nicht alle Stellen besetzt werden. „Bei der Caritas sind von 26.000 Plätzen 9.000 frei“, sagte deren Präsident, Helmut Puschmann. Umgekehrt dürfe die Dienstzeit aber auch nicht zu stark gekürzt werden, da den von Zivis betreuten Menschen ständige Wechsel ihrer Bezugspersonen nicht zugemutet werden könnten: „Die Schmerzgrenze liegt bei zwölf Monaten.“

Auf Kritik stieß die geplante Verkürzung des Grundwehrdienstes auch bei der Soldatengewerkschaft Bundeswehrverband. Dessen Vorsitzender Bernhard Gertz sagte, daß damit das Bewußtsein und die Einsicht verlorengingen, „daß es die Pflicht jedes Bürgers ist, sich an der Verteidigung des eigenen Landes zu beteiligen“. Offiziere und Unteroffiziere sähen die Pläne deshalb nicht mit Begeisterung.

Die Wehrexperten von SPD und CSU haben nach der Bonner Vorentscheidung für eine Verkürzung des Grundwehrdienstes gar eine reine Freiwilligenarmee gefordert. Der CSU-Wehrexperte Benno Zierer sagte dem Kölner Express, die Verkürzung der Wehrpflicht könne nur der erste Schritt sein. „Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, an dessen Ende die Freiwilligenarmee stehen wird.“ Sven Christian