Das Brandenburger Tor verteidigt

■ Bürgerrechtler Sebastian Pflugbeil (Neues Forum) zur Demo gegen Li Peng

taz: Herr Pflugbeil, wann haben Sie das letzte Mal erlebt, daß das Ziel einer Demonstration so schnell und so unmittelbar erreicht wurde?

Sebastian Pflugbeil: Das ist schon eine Weile her. In der Beziehung waren die letzten Monate eine ziemliche Saure-Gurken-Zeit. Ehrlich gesagt hatte ich auch heute nicht damit gerechnet, daß Li Peng so drastisch reagiert.

Bewerten Sie das als einen Erfolg?

Natürlich. Wenn ich es etwas plakativ sage, haben wir den Symbolwert des Brandenburger Tores gegen diesen Mann verteidigt. Das Brandenburger Tor steht für deutsche Teilung, für unser Eingesperrtsein und für den Zusammenbruch der DDR. Heute so einfach durch dieses Tor gehen zu können, ist für uns ein Symbol für Freiheit und die bürgerlichen Grundrechte. Wenn jetzt ausgerechnet so einer wie Li Peng dort spazieren geführt werden soll, dann rührt das an die Wurzeln der Demokratie.

Ist es da nicht bitter, daß heute früh nur 200 Menschen zum Brandenburger Tor gekommen sind?

Ich war sehr enttäuscht, daß die Berliner Studenten nicht da waren – wie ich gehört habe, haben sie sich bewußt gegen eine Teilnahme ausgesprochen – und daß die PDS ebenso gefehlt hat wie die westberliner Linksintellektuellen; es war fast eine reine Ostveranstaltung. Es wäre fatal, würde China wieder zur Projektionsfläche für linksintellektuelle Träume werden.

Viele sagen, daß man mit solchen Demonstrationen gar nichts erreicht, außer sein moralisches Gewissen zu beruhigen.

Ich habe, andersherum, eher Zweifel, ob es überhaupt vertretbar ist, angesichts krimineller Leute wie Li Peng Menschenrechte und mögliche wirtschaftliche Nachteile gegeneinander abzuwägen.

Die FAZ hat diese Woche geschrieben, daß man es sich sparen könne, Li Peng Listen mit den Namen politischer Gefangener zu überreichen, weil er die nicht einmal anschaue. Man müsse vielmehr offen sagen, daß die Bundesrepublik in China wirtschaftliche Interessen habe. Ist Ihnen diese ehrliche Haltung sympathischer?

Eigentlich ist Li Peng ja gar nicht die vordergründige Zielscheibe unserer Aktion, an der Situation in China können wir wenig ändern. Aber es ist völlig überflüssig, daß der Aufbau wirtschaftlicher Kontakte automatisch einhergeht mit politischer Bauchpinselei. Es ist unnötig, daß Li Peng von den ersten Reihen der deutschen Politiker mit allen Ehren empfangen wird. Wir sind sauer, daß ein Mann wie Diepgen sich dafür hergibt, vor dem Brandenburger Tor China zu spielen. Die Berliner Polizei hat sich ganz zwanglos den chinesischen Vorstellungen von Ruhe und Ordnung angepaßt und das finde ich sehr erschreckend.

Sie haben schon 1989 in der DDR gegen das Massaker auf dem Tiananmen-Platz demonstriert. Haben Sie heute daran gedacht?

Ja. Es hat mich unheimlich nachdenklich gemacht, daß den Leuten, die in der DDR Schwierigkeiten mit der Polizei hatten, fast an derselben Stelle wie vor fünf Jahren heute das gleiche wieder passiert. Da fragt man sich: Was geht hier eigentlich vor? Interview: Jens König