■ Der Hungerstreik geht weiter
: Polizisten, zuhören!

Es war abzusehen: Die Polizei reagiert in ihrer wohlbekannten Uneinsichtigkeit mit unangemessener Härte auf den seit Mittwoch laufenden Hungerstreik im Abschiebeknast Kruppstraße. Anstatt auf die berechtigten Forderungen der Gefangenen mit dem gebotenen Ernst einzugehen und die erhobenen Vorwürfen gründlich zu prüfen, werden die Anführer der Protestaktion erst einmal kaltgestellt. Sicher, das ist für die Hüter von Recht und Ordnung einfacher so, bequemer eben und überdies auch weniger personalintensiv.

Doch wer den Widerstand mit solcherlei taktischen Manövern zu sprengen versucht, beschwört die Eskalation herauf. Denn die inzwischen 56 hungerstreikenden Abschiebehäftlinge sind längst zu allem bereit. Sie haben schließlich auch nichts mehr zu verlieren. Für mögliche Verzweiflungstaten trägt allein die Polizei die Verantwortung. Die Berliner Abschiebegeschichte kennt dafür ein trauriges Lehrbeispiel: In der Silvesternacht 1983/84 haben sieben Abschiebehäftlinge aus Verzweiflung in ihren Zellen Feuer gelegt und sind dabei verbrannt.

Die Forderungen der hungerstreikenden Häftlinge sind ohne Zweifel berechtigt. Das hat gestern auch die Ausländerbeauftragte des Senats, Barbara John (CDU), eindeutig formuliert; vor drei Wochen hatte sie den Abschiebeknast in der Kruppstraße selbst besucht und die Unterkünfte als „kaum zumutbar“ bezeichnet. Nach ihrem Eindruck seien die Bedingungen dort schlechter als in den Strafanstalten. Wer also Menschen ohne Sozialarbeiter oder Psychologen mitunter monatelang unter zum Teil menschenunwürdigen Zuständen gefangenhält, darf sich über ihren Widerstand nicht wundern. Nicht zuschlagen, sondern zuhören – das ist der einzig mögliche Weg. Frank Kempe