Die Polizei will den Hungerstreik verlegen

■ Protestaktion im Abschiebeknast Kruppstraße weitet sich aus / Wortführer der Häftlinge in andere Anstalt gebracht

Die Polizei möchte den Hungerstreik im Tiergartener Abschiebegewahrsam in der Kruppstraße unbedingt beenden und greift dabei zu harten Methoden: Der Wortführer der Abschiebehäftlinge, die seit Mittwoch die Nahrungsaufnahme verweigern, wurde am Freitag mittag nach Informationen der taz überraschend in die Abschiebeunterkunft Gothaer Straße in Schöneberg verlegt. Mohammed Saghir, der sich telefonisch bei der taz meldete, will jetzt auch keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen. Er sei in eine Einzelzelle gesteckt worden und dürfe „mit niemandem mehr reden“. Für den Libanesen ist klar: „Damit soll der Hungerstreik begraben werden.“

Mit der altbekannten Methode „teile und herrsche“ werde jetzt den berechtigten Forderungen der Häftlinge begegnet, sagte dazu Ismail Kosan, der ausländerpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen. Seines Wissens seien zwei Rumänen und ein Bulgare ebenfalls verlegt worden. Mit ihrer unangemessenen Reaktion auf die Protestaktion leiste die Polizei einer Eskalation der Lage Vorschub. Trotz der polizeitaktischen Maßnahmen wollen die Hungerstreikenden ihre Protestaktion gegen die zum Teil menschenunwürdigen Haftbedingungen unbefristet fortsetzen. Ein Häftling sagte, die Aktion werde beendet, sobald ihre Forderungen erfüllt seien. „Wenn es sein muß, werde ich dafür sterben.“

Unterdessen hat sich der Hungerstreik, der sich am Donnerstag noch auf den dritten Stock beschränkte, gestern auf das darunterliegende Geschoß ausgeweitet. Insgesamt acht Personen der Knastetage hätten sich gestern dem Streik angeschlossen, sagte ein Polizeisprecher. Die Zahl der Hungerstreikenden sei damit auf insgesamt 56 angewachsen.

Kosan sagte weiter, die Streikenden würden mit subtilen Methoden unter Druck gesetzt, um sie „auseinanderzudividieren“. So seien Häftlinge im dritten Stock am Donnerstag abend vor die Wahl gestellt worden: „Entweder essen oder kein Fernsehen.“ Außerdem würden die Gefangenen immer wieder gefragt, ob sie nicht doch etwas essen wollten.

Wie gestern weiter bekannt wurde, hat ein liberianischer Gefangener Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen einen Beamten gestellt. Der Mann wurde nach Angaben von Traudl Vorbrodt von „Asyl in der Kirche“ von dem Polizisten mit einem Ledergürtel so heftig geschlagen, daß er ins Krankenhaus hätte eingeliefert werden müssen.

Strafanzeige gegen einen Wachbeamten der Kruppstraße erstattete inzwischen auch ein Ausländer, der sich auf freiem Fuß befindet: Reza Rassouli, Vertreter der Organisation SOS Rassismus, wurde nach eigenen Angaben von einem Polizisten vor der Eingangstür tätlich angegriffen, als er am Donnerstag nachmittag einen der hungerstreikenden Gefangenen besuchen wollte.

Die Katholische Studentengemeinde kündigte inzwischen erste Solidaritätsaktionen für die Hungerstreikenden an. Vor dem Moabiter Abschiebeknast soll heute gegen 19 Uhr der Abschluß des Gottesdienstes stattfinden. Ab Sonntag werde täglich von 17 bis 21 Uhr eine Mahnwache vor dem Eingangstor abgehalten, sagte Frank Godemann, einer der Organisatoren. Die „Initiative gegen Abschiebehaft“ ist unter der Nummer 451 62 37 telefonisch zu erreichen. Frank Kempe