„Wir leben hier immer noch in einer Vollzeitkultur“

■ „Wahlarbeitszeit“ und Wahlkampf: Andreas Hoff, Mitinhaber einer privaten Arbeitszeit-Beratungsfirma, über Teilzeitjobs

taz: Die Bundesregierung will Teilzeitjobs fördern: Wer auf Teilzeit umsteigt, behält neuerdings seinen alten Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Regierung verweist auf Hochrechnungen, daß dann Millionen neuer Jobs geschaffen würden. Was ist davon zu halten?

Andreas Hoff: Teilzeitarbeit ist immer wieder ein wunderbares Konsensthema, das sich die Bundesregierung jetzt geschickt vor den Wahlen gegriffen hat. Die einfachen Hochrechnungen zur Umverteilung durch Teilzeit sind aber Milchmädchenrechnungen. Es wird davon ausgegangen, daß Arbeitsplätze geteilt werden. Die Realität sähe aber anders aus, weil viele Beschäftigte eine Teilzeittätigkeit von 30 Stunden pro Woche und mehr wollen. Man arbeitet dann beispielsweise nicht acht, sondern sechs bis sieben Stunden am Tag, aber ungefähr dasselbe wie vorher. Und schon sparen die Betriebe das Arbeitsvolumen ein, und es kommt kein Umverteilungseffekt zustande.

Wie könnte der erreicht werden?

Den könnte man sich nur erhoffen, wenn es einen gesellschaftlichen Pakt gäbe, in dem sich die Arbeitgeber verpflichten, wenn jemand beispielsweise auf eine halbe Stelle wechselt, die andere halbe Stelle wieder zu besetzen. Es gab da schon einmal einen Vorläufer: das Altersteilzeitgesetz. Die Idee war, daß der Arbeitgeber Zuschüsse erhält, wenn ein älterer Beschäftigter auf Teilzeit geht und die Firma jemand Neues dafür einstellt. Aber das ist völlig leergelaufen, weil es in den Betrieben nicht angenommen wurde: weder von den Beschäftigten noch von den Arbeitgebern, die beide das totale Ausscheiden vorziehen.

Wie wird sich die Arbeitszeitgestaltung in den Betrieben künftig entwickeln ?

Ohne „Wahlarbeitszeit“-Modelle kommt man sicher nicht weiter. Dabei legt der Arbeitnehmer innerhalb bestimmter betrieblich geregelter Bandbreiten und Modalitäten selbst fest, wieviel er arbeitet und verdient. Die Grenze zwischen Teilzeitarbeit und Vollzeitarbeit muß aufgebrochen werden. Es kann auch nicht angehen, daß immer nur der Umstieg von Vollzeit auf Teilzeit gefördert wird. Es muß ein Recht auf Rückkehr geben. Darauf werden sich letztlich auch die Arbeitgeber einlassen müssen – weil es die einzige Form ist, in der Teilzeit breit genug akzeptiert wird.

Hätten die Unternehmen an solchen flexiblen Modellen denn überhaupt Interesse?

Es gibt schon einige Arbeitgeber, die in Verbindung mit Familienphasen auch ein Wahlrecht auf Teilzeit zugestehen – zum Beispiel die Deutsche Bank oder die Berliner Bank. Da gibt es einen Rechtsanspruch auf Teilzeit während des Erziehungsurlaubs mit der Zusage, später wieder eine angemessene Vollzeitbeschäftigung zu bekommen.

Das wird aber wohl eher von den Frauen angenommen. Besonders die Männer scheuen ja den Umstieg auf Teilzeit.

Das liegt daran, daß wir noch in einer Vollzeitkultur leben. Jeder, der etwas bedeuten will, muß vollzeitig arbeiten. Und die absolut vorherrschende geschlechtliche Arbeitsteilung führt dazu, daß die Männer gerade in Familienphasen Vollzeit arbeiten. Bei Teilzeit werden zu sehr die negativen Aspekte gesehen. Das Positive, der dadurch steigende Zeitwohlstand – das fehlt in der gegenwärtigen Kampagne völlig. Wenn Leute Zeit Geld vorziehen, sollten sie diese Wünsche unbedingt erfüllt bekommen.

Bringen neue Teilzeitmodelle überhaupt neue Arbeitsplätze?

Den Beschäftigungseffekt durch neue Teilzeitmodelle sehe ich eher in der Bewahrung von Arbeitsplätzen als in der Schaffung neuer Stellen – gerade auch im öffentlichen Dienst. Aber die Sicherung von Arbeitsplätzen wäre doch auch schon eine Hilfe. Es wird geschätzt, daß der Arbeitsmarkt durch die Ausweitung der Teilzeitarbeit in den vergangenen zehn Jahren immerhin um 300.000 Personen entlastet worden ist.

Interview: Barbara Dribbusch