„Das Rrumpflillftoo nicht zu zart“

■ Satie& Schwitters mit Willy Daum auf dem Dacapo-Trampolin

Am Ende liegt Willy Daum darnieder, nach vier Rückwärtsalphabeten aus Schwitters Ursonate, und endet mit dem „beee“. Zwei mal 45 Minuten Sport und Vergnüngen bleiben ohne Auflösung. So schnell wird man es eben nicht los, das Wogen in Kopf und Bauch nach einer Runde Salto oder einem Satie-Schwitters-Abend mit Willy Daum.

Ein „untertiteltes Klavierkonzert“ (Erik Satie-Stücke) „mit gesprochener Musik“ (von Kurt Schwitters) hat uns der Interpret aus Berlin beschert, ein visionäres Aufeinandertreffen der beiden Allround-Kunst-Grenzgänger zu Zeiten des Dadaismus, und uns damit in einen Erlebnispark von Sprache und Musik hineinbugsiert. Das ist so recht nach dem Geschmack der Veranstalter von Dacapo, die Willy Daum – einen „alten Bremer“, der selbst als Geräuschkomponist bekannt ist – als dritten Streich in ihre Série Satie einreihen, in der sie Satie bereits mit melancholischen und philosophischen Werken anderer KomponistInnen konfrontiert haben. Diesmal darf es, in Kombination mit Kurz Schwitters, der skurrile, der ganz-kurz-angebundene Satie sein – und der Texter. Satie nämlich hat seine Klavierstücke nicht nur mit flappsigen Titeln versehen (etwa „wahrhaft schlaffe Präludien für einen Hund“), sondern auch die Partituren mit absurden Anweisungen und Geschichtchen übersät.

Was da sonst nur dem Pianisten Vergnügen bereitet, dürfen wir nun diesmal mit ihm teilen. Willy Daum läßt parallel zu seinem Spiel Saties Kommentare auf zwei Bildschirmen mitlaufen. Wir lesen also zu Saties Charakterstück „La Peche“ („Angeln“): „Still plätschert der kleine Bach – kommt ein Fisch an – ein weiterer – zwei weitere – 'was gibt's?' – 'ein Angler' – alle gehen nach Hause – auch der Angler – still plätschert der kleine Bach.“ So bescheiden schwarz-weiß diese Satzfetzen auf den Monitoren erscheinen, ziehen sie doch alle Aufmerksamkeit auf sich. Saties klare, leicht verständliche Klavier-Kürzest-Intermezzos lassen sowieso schon immer imaginäre Bilder flottieren – diesmal entstehen erst recht Figuren und Szenen im Stil eines Carl Spitzweg oder Heinrich Zille. Satie, der musikalische Erzähler, als Literat.

Kurt Schwitters läßt Willy Daum den genau umgekehrten Weg gehen. Er intoniert dessen Nies- und Hustengedichte, trägt das Ribble Bobble Pimlico wie den Vorläufer des Rap vor. Doch nicht nur in melodiöser Erzählkraft begegnen sich Satie und Schwitters an diesem Abend. Willy Daum spielt gekonnt ihre Extravaganzen aus, hält sich an beider Anweisungen („rühren Sie sich innerlich, ohne an den Fingern zu erröten“/ Satie, „das Rrumpflillftoo klingt im 3. Satz nicht mehr so zart wie im 1.“/ Schwitters), steigt zu Schwitters „25 – drei – zwölf“ mit einem Bein in den Flügel und klopft und zupft dort an den Saiten, verausgabt sich völlig, kurz: er lehrt sich und uns wieder das Staunen über soviel sinnträchtige, groteske Einfachheit und Spontaneität. Silvia Plahl

Ein vierter Satie-Streich folgt im September