Wenn Krimsekt aus Litauen kommt

Die Sektfabrik Alytus: Trauben aus Moldova, vergärt in Alytus, getrunken in Deutschland / „Jelzin-Vodka“ als südafrikanische Raubkopie  ■ Von Klaus Bachmann

Alytus (taz) – Die litauische Industriestadt Alytus hat 77.000 Einwohner und liegt auf halbem Weg zwischen der polnischen Grenze und der Hauptstadt Wilna. Doch sie hat etwas, was sie von anderen litauischen Städten unterscheidet: eine eigene Sektfabrik, die sie einer Laune Chruschtschows verdankt. Denn nur damals konnte man auch die Idee kommen, in einem Land, dessen Klima dem Gedeihen von Reben äußerst unbekömmlich ist, Sekt herzustellen. „Unsere Trauben kommen aus Moldova“, gibt Vytautas Junevicius, Generaldirektor von Alita, zu, „sie werden hier nur vergoren.“ Dann gehen sie in den Verkauf und zu 10 Prozent ins Ausland, vor allem nach Deutschland. „Früher haben wir unseren Sekt als Sovjestkoe Igristoje verkauft“, erzählt der technische Direktor Ladzevicius, „nun heißt er schlicht Alita.“ In Litauen gibt es damit keine Probleme, aber im Westen kennt man diese Marke nicht, da wollen die Leute Sowjet-Sekt. Also wird er so genannt. Das ist zwar nicht patriotisch, aber besser fürs Geschäft. In einer Holzkiste stehen einige Alita-Flaschen mit der Aufschrift „Krimsekt“. Oh ja, meint Ladzevicius harmlos, früher habe man das gemacht, inzwischen sei man davon abgekommen.

Generaldirektor Junevicius ist da etwas genauer: Wenn ein Kunde das wolle, liefere man auch Krimsekt. Meistens liege den deutschen Abnehmern daran. Krimsekt sei in Deutschland nämlich fast dreimal so teuer wie Alita, auch wenn beides aus der Fabrik in West-Litauen komme. Den Verdacht, er vertreibe Krimsekt als Raubkopie, weist er weit von sich: „Wenn Krimsekt auf dem Etikett steht, garantieren wir, daß der Inhalt aus Traubenkonzentrat von der Krim hergestellt wurde“, unterstreicht er. Eine Genehmigung der Krim benötige man nicht. Im übrigen gebe es Schlimmeres. Junevicius eilt in sein Büro und kommt mit einem Plastikfläschchen zurück. „Jelzin Vodka“, ist darauf zu lesen, „made in South Africa“. Das sei eine Raubkopie, gibt Junevicius zu verstehen.

Acht Millionen Flaschen Sekt produziert Alita im Jahr. In Litauen kostet eine Flasche umgerechnet zwei Dollar, im Westen zehn Dollar. Erhöhen könne man die Produktion auf 12 Millionen Flaschen, doch dafür gebe es keinen Absatz. Früher oder später soll der Betrieb privatisiert werden. Bis dahin ist er ein kleines Denkmal der Arbeitsteilung im Sowjetsystem. Wer sonst käme auf die Idee, Trauben von der Krim Tausende Kilometer nach Norden zu schaffen, dort zu Sekt zu vergären, diesen mit Luxemburger Korken auf deutschen und italienischen Maschinen zu verschließen und per Lkw nach Moskau zu schaffen?