„Mich verschleiern? Nein, danke.“

Die palästinensische „First Lady“ will ihr Haus in Tunis behalten / Ein Gespräch mit Suha Arafat über ihre Rolle, die Rechte der Frauen und die konservative palästinensische Gesellschaft  ■ Aus Tunis Khalil Abied

Suha Arafat, die Frau des PLO- Chefs und somit palästinensische „First Lady“, ist eine der wenigen Palästinenserinnen in Tunis, die ihre Koffer für die Rückkehr nach Gaza oder Jericho noch nicht gepackt haben. „Ich habe mich entschieden, mein Haus zu behalten. Mein Mann, Abu Ammar, wird auch sein Haus und sein Büro behalten“, begründet Suha Arafat, warum ihre Kleider in den Schränken hängen bleiben werden. „Wir können auf Tunesien nicht verzichten. Die Leute hier waren sehr gut und sehr herzlich zu uns.“

Kritiker Arafats interpretieren solche Worte dahingehend, daß „der Alte“ gar nicht vorhabe, sich endgültig in Jericho oder Gaza niederzulassen. „Er will sich nicht festsetzen lassen. Jericho und Gaza werden für ihn Stationen sein, die er gelegentlich besucht“, mutmaßen sie.

Die Wände des Büros von Suha Arafat im zweiten Stock einer kleinen Villa im wohlhabenden Al- Manzah-Viertel sind mit Bildern ihres Ehemanns geschmückt: sechs Fotos, die den PLO-Chef zeigen, wie er seine Kuffiyeh um den Kopf wickelt, Aufnahmen, die ihn bei allen Gelegenheiten zeigen, mal lächelnd, mal in einer Denkerpose. Auch Suha selbst fehlt nicht: auf ihrem Schreibttisch liegt eine kleine Sammlung von Fotos, auf denen sie mit Hillary Clinton oder Danielle Mitterrand zu sehen ist.

„Bitte nennen Sie mich nicht ,First Lady‘“, bittet Suha Arafat. „Die Leute wollen mich mit diesem Titel einengen. Das mag ich nicht.“ Sie möchte sich künftig mit humanitären Dingen befassen, will ein Krankenhaus im Gaza-Streifen und eines in ihrer Heimatstadt Ramallah in der Westbank errichten. Nicht, weil derartige Dinge immer die Aufgabe einer „First Lady“ seien, sondern, weil sie notendig seien, wie sie hinzufügt.

An der palästinensischen Frauenbewegung und der Diskussion um Gesetze und Frauenrechte möchte sich Al Ucht Suha, „die Schwester Suha“, wie sie von einigen genannt wird, nicht beteiligen – aber ihre Meinung sagen. Damit will sie Gerede und Spekulationen einen Riegel vorschieben, die besagen, sie versuche, ihren Mann zu beeinflussen oder ihre Stellung auszunutzen, beispielsweise, um Kontrakte mit ausländischen Firmen zu tätigen, die in den Wiederaufbau der palästinensischen Infrastruktur investieren wollen.

„Unsere Gesellschaft ist noch eine patriarchalische“, konstatiert Suha Arafat. „Unsere Männer werden den Frauen ihre Rechte nicht so einfach geben, es ist die Aufgabe der Frauen, dafür zu kämpfen. Aber man darf keine schnelle Veränderung erwarten. Das muß Schritt für Schritt gehen.“ In der Person ihres Mannes sieht sie die beste Garantie für eine bessere Zukunft für die Frauen, wie sie mit Bewunderung in der Stimme sagt. „Aber wenn er Gesetze erläßt, die gegen die Rechte der Frauen sind, dann werde ich dagegen protestieren. Ich werde sogar gegen ihn demonstrieren.“ Offenbar befürchtet sie, ihr Mann könnte Konzessionen gegenüber den Islamisten machen.

In der Frage der Polygamie kam es zwischen den Arafats bereits zu Meinungsverschiedenheiten. „Ich halte das für ein Phänomen der Unterentwicklung, das man bekämpfen muß“, sagt Suha Arafat erregt. Als sie vor einigen Wochen in einem Interview mit einer US- amerikanischen Fernsehgesellschaft diese Meinung äußerte, sei ihr Mann verärgert zu ihr gekommen und habe sie gebeten, auf ihre Worte zu achten, da die Islamisten sie beide in den Moscheen kritisiert hätten. Als ehemalige Christin hatte Suha eine für Muslime empfindliche Frage berührt, da der Islam unter strengen Bedingungen die Mehrehe erlaubt. „Meine Meinung über Polygamie hat nichts mit Religion zu tun“, verteidigt sie ihre Auffassung. „Für mich ist es ein Unrecht, wenn ein Mann nach vielen Jahre zu seiner Frau kommt und sagt, er wolle jetzt das Leben mit einer Jüngeren genießen. Aber Abu Ammar muß politisch kalkulieren. Er will nicht, daß man diese Frage gegen ihn benutzt. Deshalb rede ich weniger darüber.“

Viele im Exil lebende Palästinenserinnen hegen Befürchtungen über ihre Lage nach der Rückkehr ins Autonomiegebiet. Jahrelang haben sie ein „modernes“ Leben geführt und gesellschaftliche Freiheiten genossen. Demgegenüber ist der Gaza-Streifen eine konservative Gesellschaft mit einer starken islamistischen Bewegung. So witzeln einige, daß sie schnell noch ihre letzten freien Tage in Miniröcken, engen Jeans und ärmellosen T-Shirts genießen wollen. „Wir bereiten uns auf einen bitteren Kampf mit den Konservativen und Islamisten vor“, sagt eine palästinensische Schriftstellerin in Tunis.

„Was? Nein. Niemals“, antwortet Suha Arafat auf die Frage, ob sie sich verschleiern würde, wenn ihr Ehemann das aus Gründen des poltischen Kalküls von ihr verlangen sollte. „Hören Sie: Ehe ich Abu Ammar geheiratet habe, habe ich acht Jahre in Paris gelebt. Ich habe mich nach der neuesten Mode gekleidet. Ich habe viele Konzessionen gemacht, damit mein Mann nicht in eine schwierige Lage gerät. Aber mich zu verschleiern – nein, danke.“