Dem Verbot trotzen

■ Kambodschas Rote Khmer bilden „Gegenregierung“ im Norden

Pnomh Penh (dpa/AFP/taz) – Die kambodschanischen Roten Khmer, unter deren Herrschaft in den siebziger Jahren eine Million Menschen umkamen, werden im Norden des Landes eine „Gegenregierung“ bilden. Von dort wollen sie ihren Kampf gegen die aus den Wahlen vom vergangenen Jahr hervorgegangene Regierung in Phnom Penh fortsetzen.

Der nominelle Führer der Organisation, Khieu Samphan, erklärte gestern über den Rebellensender, er werde in dieser „provisorischen Regierung“ Ministerpräsident und Armeeminister. Die Gruppierung kontrolliert mindestens zwanzig Prozent des kambodschanischen Territoriums und will ihren „Amtssitz“ in der Nordprovinz Preah Vihear installieren. Vergangene Woche hatte das nationale Parlament nach heftigen Debatten beschlossen, die Roten Khmer zu verbieten. Die Mitgliedschaft in der Organisation soll nun mit zwanzig Jahren bis zu lebenslänglicher Haft bestraft werden. Allerdings wurde eine Frist von sechs Monaten eingeräumt, innerhalb derer mit Strafverschonung belohnt werden soll, wer sich freiwillig stellt. Ausgenommen von der Strafandrohung ist die Bevölkerung in Gebieten, die von den Roten Khmer kontrolliert werden, da man annimmt, daß sie die Herrschaft der Organisation nicht freiwillig tolerieren.

Doch in Kambodscha gibt es kein funktionierendes Rechtssystem, und das Mißtrauen gegenüber Polizei und Behörden ist nicht gesunken. Deren Personal besteht vorwiegend noch aus MitarbeiterInnen der 1979 von Vietnam eingesetzten Regierung, die bis zu den UNO-organisierten Wahlen im vergangenen Jahr herrschte – und deren Hauptfeind die Roten Khmer waren. So scheint fraglich, ob sich viele Mitglieder der Roten Khmer trauen werden, die Amnestie in Anspruch zu nehmen. KennerInnen der Roten Khmer halten den „zurückgetretenen“ Pol Pot immer noch für den wirklichen Kopf der Organisation. Deren offizieller Führer, der weißhaarige Khieu Samphan, gilt bereits seit den sechziger Jahren als Cheftheoretiker der Gruppierung. Grundlage ihrer Ideologie ist heute vor allem die Behauptung, als einzige Partei nach ethnischer Reinheit zu streben und das Land gegen Vietnam zu verteidigen.

Während der UNO-Friedensmission in Kambodscha 1992/93 erhielt Khieu Samphan internationale Anerkennung als Vertreter einer der vier Bürgerkriegsfraktionen. Auch andere Vertreter der neuen „Gegenregierung“ gehören zum alten Kern der Organisation. Chan Youran sei als Stellvertreter Khieu Samphans benannt worden, hieß es. Mak Ben übernehme das Ministerium für Landwirtschaft und Im Sopheap das Ressort Einwanderung. Der Informationsminister der Regierung in Phnom Penh sagte, der Posten des Verteidigungsministers sei wahrscheinlich mit Kak Choeun besetzt worden. Er glaube, dies sei der unter dem Beinamen „der Schlächter“ berüchtigte einbeinige Kommandant Ta Mok.

König Norodom Sihanouk, der zur Krebsbehandlung in Peking weilt, lehnte das Verbot der Roten Khmer ab, da es weitere Verhandlungen unmöglich mache. Er hatte der Organisation mehrfach eine Regierungsbeteiligung angeboten, falls sie die Waffen niederlegt. Sein Sohn, Co-Ministerpräsident Prinz Norodom Ranariddh, hat nach Regierungsangaben Phnom Penh am Sonntag zu einem „privaten Familienbesuch“ verlassen. Wohin, blieb offen. li