■ Das Portrait
: Haim Ramon

Mit der Wahl ihres Dissidenten Haim Ramon an die Spitze des israelischen Gewerkschaftsverbandes Histadrut hat die Arbeitspartei erstmals die alleinige Macht über diese einflußreiche Organisation verloren. Der 44jährige Ramon ist von Beruf Rechtsanwalt. Bereits mit 22 trat er als Jugendfunktionär der Arbeitspartei ins politische Rampenlicht. Mit 28 wurde er zum Mitglied des zentralen Führungsstabs seiner Partei gewählt und stand bis zum Jahr 1984 an der Spitze einer zahmeren israelischen Version der Jusos. Von 1989 bis 1992 war er Fraktionsvorsitzender seiner Partei in der Knesset.

Nach dem Wahlsieg der Arbeiterpartei vor zwei Jahren ernannte ihn der neue Regierungschef Jitzhak Rabin zum Minister für Gesundheitswesen. Aber aus Protest gegen seine eigenen Parteikollegen, die die bisherigen Histadrut-Interessen vertraten, trat er vor fünf Monaten zurück. Kern des Streits war Ramons Gesetzesvorschlag zur Verstaatlichung des Gesundheitswesens.

Erst kurz vor den im Mai fälligen Histadrutwahlen entschloß sich Ramon, an der Spitze einer eigenen Kandidatenliste Haim Hadashim („Neues Leben“) anzutreten. Damit sah sich die von der Entwicklung wenig angetane Arbeitspartei gezwungen, den Abtrünnigen auszuschließen.

Die Mehrheit des Meretz- Block, in dem die links-liberaleren Koalitionspartner Rabins vereint sind, schloß Der neue Generalsekretär der HistadrutFoto: Reuter

sich mit der sefardisch-orthodoxen Shass-Partei der Liste Ramons an und verhalf ihr zum Wahlsieg. Die Wahl Ramons zum Generalsekretär der Histadrut vor einer Woche wurde durch die Bildung einer Koalition gesichert, an der sich neben Ramons Fraktion auch die Arbeitspartei und die Jüdisch-Arabische Liste beteiligen.

Um Ramons Triumph vollständig zu machen, hat die Knesset mittlerweile seinen Gesetzesvorschlag zur Verstaatlichung des Gesundheitswesens angenommen. Niemand zweifelt daran, daß Ramons Posten an der Spitze der Histadrut, die er radikal verändern will, nur als Sprungbrett dient, das den talentierten und ambitionierten Nachwuchspolitiker an die Spitze der Regierung befördern soll. Amos Wollin