Ruandas RPF rückt weiter vor

■ Ruhengeri erobert / Regierungsbildung noch diese Woche

Kigali (AFP/AP/taz) – Die „Ruandische Patriotische Front“ (RPF), die den Großteil Ruandas kontrolliert, hat gestern die drittgrößte Stadt des Landes eingenommen: Ruhengeri im Nordwesten, eine der Hochburgen der Anhänger des im April ermordeten Präsidenten Juvenal Habyarimana, die für die Ermordung Hunderttausender Zivilisten verantwortlich sind. Zugleich startete die RPF eine Offensive in Richtung der weiter südlich liegenden Stadt Kibuye, um bis an die Grenze der von den französischen Eingreiftruppen deklarierten „Schutzzone“ vorzustoßen und die letzte noch von den einstigen Regierungssoldaten kontrollierten Stadt Gisenyi einzukreisen. Nach Angaben von Hilfsorganisation bewegen sich aufgrund der sich ausbreitenden Kämpfe bis zu einer Million Flüchtlinge in der Gegend um Gisenyi auf die zairische Grenze zu. Die Straße zwischen Ruhengeri und Gisenyi sei voller Flüchtlinge. Eine Rotkreuz-Sprecherin sprach von einer Massenhysterie. In Gisenyi operiert noch immer der Radiosender „Mille Collines“, der die Hutu-Bevölkerungsmehrheit Ruandas zur Flucht vor der RPF und zur Tötung von Angehörigen der Tutsi-Minderheit aufruft.

Für heute wird in der ruandischen Hauptstadt Kigali die Ankunft des Exilpolitikers Faustin Twagiramungu erwartet, der im Auftrag der RPF eine neue Regierung bilden soll. Twagiramungu war bereits im August 1993 nach dem Friedensvertrag von Arusha zwischen der damaligen Regierung und der RPF als Premierminister einer Regierung der Nationalen Einheit vorgesehen gewesen; diese Regierung war jedoch nie zustande gekommen. Nun soll bis zum Wochenende ein Kabinett unter Einschluß der RPF und der früheren Oppositionsparteien gebildet werden, um das Arusha-Friedensabkommen umzusetzen. RPF-Vorsitzender Alexis Kanyarengwe sagte, seine Organisation beanspruche die Posten des Staatspräsidenten und des Verteidigungsministers. Er forderte die Soldaten der früheren Regierungsarmee auf, führende Politiker von Habyarimanas Regierungspartei MRND und der extremistischen Hutu-Partei CDR festzunehmen. Dies sei eine Voraussetzung für ein Ende der RPF-Offensive. Verhandlungen mit der in Gisenyi weilenden früheren Regierung schloß er aus. „Unsere Streitkräfte werden der Regierung mit einem Haftbefehl entgegentreten“, sagte er.