Namengeber John Lennon

■ Kurz vor den Ferien benennen Berliner Schüler ihr Gymnasium nach einem, der selbst mal von der Schule flog / Damit schmückt erstmals ein Popstar die Schullandschaft

Berlin (taz) – Bob-Marley- Gymnasium – nein, der Schülervorschlag ging den meisten Lehrern entschieden zu weit. Mit Namen wie Willy Brandt und Erich Kästner könnten sich die 30 bis 50jährigen da eher identifizieren. Dann wählte die Lehrerkonferenz August Bebel zu ihrem Spitzenkanditaten für die Namenswahl.

Auf einer außerordentlichen Schulkonferenz schafften dann die Elternvertreter neue Mehrheitsverhältnisse und verbündeten sich mit den Schülern: Zum ersten Mal wird nun in der Bundesrepublik eine Schule nach einem Popstar benannt. „John Lennon Gymnasium“ heißt jetzt offiziell das 2. Gymnasium in Berlin-Mitte. Mit der Entscheidung sind zu guter Letzt auch die Lehrer zufrieden. „Ein wenig Provokation bringt Bewegung“, meint Vize-Schulleiterin Angelika Böhme.

John Lennon – für diesen Namen machte sich zuerst die Musiklehrerin Lieselotte Reznicek stark. Die Ex-Frontlady der DDR-Frauenband „Mona Liese“ nahm die Idee der Schüler auf, mit dem Namen eines Pop-Idols der Schule einen neuen Anstrich zu geben. „Lennon ist doch 'ne Nummer größer als Bob Marley“, sagt sie.

Die offizielle Taufe wurde am Dienstag nachmittag prompt zu einem Happening der 60er und 70er Jahre. Natürlich spielte eine Schulband die Hits des „Beatle“ rauf und runter. Lässig wippende lange Mähnen, Schlaghosen und die obligatorischen Nickelbrillen bestimmten das Bild.

Auch offizielle Seiten stehen dem neuen Namen mittlerweile aufgeschlossen gegenüber. Der Berliner Schulsenat zeigte sich begeistert. Lennons Frau Yoko Ono wurde von der Idee in Kenntnis gesetzt und ließ über ihr Management verlauten, daß sie sich sehr freue. Und Lennons Plattenfirma EMI spendete spontan zehn CDs von „Mr. Nowhere Man“.

Daß John selbst wegen schlechten Betragens von seiner Schule verwiesen wurde, störte niemand. Für Aufregung und Diskussionen sorgte da eher Lennons Verbindung zu Drogen. „Bei Beethoven hätte man auch seinen Alkoholismus erwähnen müssen“, kommentiert Musiklehrerin Reznicek nur lapidar, und trifft damit die vorherrschende Liberalität der Schule. Bis vor kurzem hing im Lehrerzimmer noch ein Schülerentwurf für den offiziellen Briefkopf der Schule: ein Piktogramm von Lennons Kopf mit einem dampfenden Joint im Mund.

Lennons Verhältnis zu Drogen war jedoch nicht der entscheidene Grund dafür, daß selbst einige karriereerpichte Schüler seinen namen ablehnten. Manche befürchteten, der Schulname könne ein schwarzer Fleck im Lebenslauf sein, andere munkeln, der Name sei eh nur eine Modeerscheinung des momentanen 70er-Jahre-Revivals. An der Hofmauer prangte bis vor kurzem noch ein Graffito – „Scheiß Hippischule“. Doch das ist längst übermalt.

Warum überhaupt ein neuer Name? Nun da gab es die Wende, da gab es diese belastet-linkslastigen Namen. Also wurden kurzerhand alle Ostschulen mit einer Nummer ausgestattet. Andere Gymnasien in Berlin-Mitte tragen heute Namen wie „Darwin-“ oder „Max-Planck-Schule“. Vor der Wende hieß das 2. Gymnasium noch „August-Bebel-Schule“ – der Favorit für viele Lehrer. Aber der war ja bekanntermaßen ein lausiger Gitarrist. Sven Christian