■ Mit den WM-Siegern auf du und du
: Der „Copa“-Boom

Rio de Janeiro (taz) – In Brasilien steht der Sieger der Fußballweltmeisterschaft schon vor dem Finale fest: Die Elektroindustrie feiert Umsätze, die sogar die größten Weihnachtswünsche übertreffen. „Wir können uns nicht beklagen“, kommentiert Nelson Pexioto Freire, Vorsitzender des brasilianischen Verbandes der Elektroindustrie, die jüngsten Verkaufszahlen.

Im April und Mai dieses Jahres setzte die Branche rund eine Million Fernsehgeräte ab. Für diesen Monat wird mit einem Absatz von 500.000 Flimmerkisten gerechnet.

Der Boom beschränkt sich nicht allein auf die Fernsehbranche. Tomatensoße, Waschpulver, Nationalflaggen, Kreditkarten, Fotoapparate, Bier, Benzin und Erfrischungsgetränke werden zu einer immensen Werbekampagne miteinander verquirlt. Die Fußballweltmeisterschaft, in Brasilien kurz „Copa“ genannt, kurbelt die Wirtschaft kräftig an. Bei jedem Tor der brasilianischen Nationalmannschaft fließt in den Restaurants und Kneipen literweise Freibier der konkurrierenden Brauereien „Brahma“ und „Antartica“ und „Kaiser“. Für ihren Werbekrieg im Fernsehen blätterten die Getränkekonzerne 50 Millionen US-Dollar hin.

„In jeder Ecke prangt ein WM-Produkt“, meint Ana Kasmanas, Direktorin der Firma Exim, die Produkte mit dem Markenzeichen des brasilianischen Fußballstars Pelé vermarktet. Zwar würde der WM- Rummel nicht vier Milliarden- Dollar in Umlauf bringen wie in den USA, doch „die Copa belebt die heimische Wirtschaft um einige hundert Millionen Dollar“. Fußballer Pelé kommentiert für den Fernsehgiganten Globo das Spielverhalten der brasilianischen Mannschaft und wirbt für die Kreditkarte „Mastercard“.

Den echten Nervenkitzel holen sich die brasilianischen Fußballkenner jedoch nicht vor dem Bildschirm, sondern an der Börse. Die Teilnehmer der inoffiziellen Wettannahme „Gols da Copa“ (WM-Tore) in São Paulo setzten mit 135 Treffern die Zahl der Tore um zwanzig höher als bei der letzten WM vor vier Jahren. Jedes Tor ist einen Dollar wert, die Siegermannschaft ist mit zehn Dollar quotiert.

Brasilien ist mit 2,50 Dollar eindeutig Favorit. Die Deutschen lagen bis zu ihrem Ausscheiden mit 2,20 Dollar auf dem zweiten Platz.

An den Tagen, wo Brasilien spielt, funktioniert nur noch die Wettannahme. Die Börsen in Rio und São Paulo schließen zwei Stunden vor Spielbeginn, die Firmen schicken ihre Mitarbeiter vorzeitig nach Hause. Dann verwandelt sich ganz Brasilien in ein gigantisches Fußballstadium. Astrid Prange