„Kein Grund für Fragezeichen“

■ Brandenburgs Verfassungsschutzchef Pfaff: PDS keineswegs verfassungsfeindlich

taz: Herr Pfaff, ist die PDS aus Ihrer Sicht eine verfassungsfeindliche Partei?

Wolfgang Pfaff: Für Brandenburg kann ich diese Frage mit einem klaren Nein beantworten. Die PDS erfüllt die Vorgaben aus dem Parteiengesetz. Sie hat ein Parteiprogramm, sie führt ihre Wahlen zum Vorstand, für die Delegiertenversammlungen ordnungsgemäß durch, sie hat eine Satzung. Sie erfüllt alle formalen Voraussetzungen, die an eine Partei gestellt werden. Was das Prinzip der Öffentlichkeit angeht, so geht die PDS sogar weiter als andere Parteien, so sind beispielsweise die Sitzungen der Fraktion grundsätzlich öffentlich. Das Parteiprogramm bewegt sich im Bereich des demokratischen Spektrums. Dieses realisiert sich in vielfältigen, auch parlamentarischen Initiativen. Die PDS wird in Brandenburg im parlamentarischen Bereich anerkannt, sie wird von den anderen Parteien nicht ausgegrenzt. Wir haben überhaupt keinen Grund, hinter die PDS Brandenburg Fragezeichen zu setzen.

In anderen Bundesländern gibt es andere Einschätzungen.

Es gibt einen Beschluß der Innenministerkonferenz von Ende 1990, in dem die PDS als „Prüffall“ eingestuft wurde. Von dieser Linie sind später einzelne Länder, Bayern zum Beispiel, abgewichen. In Bayern wird die PDS beobachtet. Wir haben entschieden, die PDS nicht zu beobachten. Wir haben zum Beispiel im Zusammenhang mit Demonstrationen gegen Rechtsextremismus festgestellt, daß sich die PDS in Brandenburg aus Bündnissen ausgeklinkt hat, weil an diesen gewaltbereite autonome Gruppen beteiligt waren.

Als Indiz für eine Verfassungsfeindlichkeit bezeichnet die Kölner Bundesbehörde die „kommunistische Plattform“ der PDS.

Es gibt in der PDS die „kommunitische Plattform“, und es gibt die „Arbeitsgemeinschaft der jungen Genosseninnen und Genossen“. In beiden Organisationen werden teilweise sehr radikale Töne angeschlagen. Im einzelnen muß man hier fragen, ob solche Äußerungen sich noch im verfassungsmäßigen Spektrum bewegen. Nur, die Gesamtpartei setzt sich mit beiden Organisationen sehr offensiv auseinander. Sie hat deren politische Wirksamkeit stark eingegrenzt. Es gibt sicher Gesinnungen in der PDS, die im Einzelfall an die Grenzen des Verfassungsmäßigen gehen. Sie bleiben aber so in der Gesamtpartei eingebunden, so daß wir sagen können, daß es sich um keine politisch wirksamen, verfassungsfeindlichen Bestrebungen handelt. Die Gesamtentwicklung in der PDS geht eindeutig dahin, Demokratie zu praktizieren.

Die PDS wird aber weiter als „Verdachtsfall“ oder „verfassungsfeindliche Bestrebung“ eingestuft. Mißbrauch des Verfassungschutzes, um eine unbequeme Partei zu stigmatisieren?

Meiner Meinung täte der Verfassungsschutz auf längere Sicht gut daran zu prüfen, ob er diese Aufgabe – die bürokratische Befassung mit Parteien – nicht zurückfahren will. Zwanzig Prozent der brandenburgischen Wähler haben freie Wahlen zu Wahlentscheidungen zugunsten der PDS genutzt. Das ist ein nicht ganz unerheblicher Teil der Bevölkerung. Ich empfinde es als eine Bevormundung dieses Teils der Bevölkerung, wenn von seiten der Verfassungsschutzbehörden ihnen die Frage vorgesetzt wird, ob diese Wahl richtig oder falsch ist. Neben vielleicht unvermeidbaren Fehlern im Prozeß der Wiedervereinigung, die etwa beim Grundsatz Rückgabe vor Entschädigung gemacht wurden, wäre dies meiner Ansicht nach ein Fehler von erheblicher Dimension. Man muß den Menschen Zeit lassen, sich ihre eigene Überzeugung zu bilden. Der Einigungsprozeß hat für viele zu Härten und Enttäuschungen geführt. Daß man dann eine Partei wählt, von der man glaubt, daß sie die ostdeutschen Interessen am besten vertritt, mag aus der Sicht vieler westdeutscher Politiker vielleicht nicht richtig sein, ist aber nachvollziehbar.

Die Entscheidung, ob eine Partei zum Beobachtungsobjekt erklärt wird, fällt in den jeweiligen Innenministerien. Verfolgt der Auftraggeber damit eigene politische Interessen?

Der Verfassungsschutz tut gut daran, sich Zurückhaltung aufzuerlegen, damit er nicht in den Verdacht kommt, sich politisch instrumentalisieren zu lassen.

In Thüringen wurde bekannt, daß dort Amtskollegen illegal Informationen über die PDS als Wahlkampfmunition an die CDU übermittelt haben.

Wir halten uns in der Bewertung der Vorgänge in anderen Bundesländern zurück. Wir möchten uns ja auch nicht ständig mit Kritik aus anderen Bundesländern auseinandersetzen müssen. Interview: Wolfgang Gast