piwik no script img

„Mit dem Kopf über Wasser“

■ Kultursenatorin Christina Weiss im Gespräch über den Kulturhaushalt 1995

Wie bewerten Sie diese Sparrunde für Ihren Haushalt?

Wir stehen das erste Mal seit allen Sparepochen im Mittelfeld, sind also nicht schlechter behandelt worden als andere. Und wir haben unsere Quote mit einigem Mut jetzt so erbracht, daß wir zwei große Einschnitte vorgenommen haben, aber dafür die Quote bei einigen anderen Institutionen aufgebessert haben. Das Altonaer und Harburger Theater und das Musikfest beenden wir in der Hoffnung auf einen Neustart in anderer Form. Bei allen anderen Spareingriffen gibt es keine so großen Wunden. Dennoch sind 11,2 Millionen Mark, auch wenn man die 2,6 Mio. Mark, die wir bereits 1994 erbracht haben, abzieht, für so einen kleinen Haushalt eine Menge, und das tut schon weh.

Warum wurden gerade dem Altonaer Theater und dem Musikfest die Subventionen entzogen?

Beim Altonaer Theater fehlte die Vision, wie man neu anfangen soll. Wir mußten jetzt einfach mal ein klares Ende setzten, um dann zu überlegen, wie es weitergeht. Wir werden weder Harburg ohne Theaterbespielung lassen, noch werden wir uns von dem Haus in Altona abwenden, noch von der Stadtteilbespielung. Wir müssen uns jetzt kreativere, neue Modelle überlegen, wie wir die Klientel des Theaters befriedigen können, ohne einfach die Fitze-Ära nachzuahmen.

Gibt es schon konkrete Pläne?

Es gibt ein paar wirklich interessante Angebote, die vorsehen, ohne Staatsgeld mit einem größeren Netzwerk zu operieren, auch mit Klassikern und heiteren Stücken. Es gibt jüngere Leute, die sagen: Wir machen da etwas „Jüngeres“ mit ganz wenig Staatsgeld, weil wir unterhaltender sind. Und es gibt Angebote von anderen Theatern aus Hamburg, die gerne auch mal woanders spielen würden.

Was geschieht mit den 80 Mitarbeitern des Theaters?

Die Mitarbeiter sind auf Grund des Verfahrens noch bis Ende des Jahres abgesichert. Dann muß man verhandlen, wer übernommen werden kann. Bei sozialen Härtefällen werden wir uns darum kümmern.

Und warum wurde das Musikfest gestrichen?

Das Musikfest war das Festival, das immer schon unterfinanziert war. Die Philharmoniker haben zwar viel aufgefangen, aber das Musikfest hatte einfach noch nicht das Niveau, daß wir sagen konnten, wir sind damit zufrieden. Es bleibt aber eine feste Summe im Haushalt, mit der die Vorstellung von Klassikern der Moderne fortgeführt wird.

Wird sich mit den Kürzungen bei den Staatstheatern eine Intendantenkrise vermeiden lassen? Frank Baumbauer etwa sagt, er kann nicht mehr sparen.

Das geht einfach gar nicht anders. Die Staatstheater müssen ihren Beitrag bringen, und das wissen sie auch. Und in der Spielzeit 95/96, die ja mit dem jetzigen Haushalt ansteht, sind die Einsparungen sehr gering. Die Staatstheater haben bereits in der jetzigen Spielzeit den dicksten Batzen erbracht. Allerdings liegen wir im Bereich der Staatstheater mit der Finanzbehörde bis 1997 auch noch über 2,7 Mio. Mark im Streit.

Die Oper muß aber auch diesmal bluten.

Die Oper hat natürlich eine ganze Menge zu tragen mit 1,050 Mio Einnahmesollerhöhung. Sie kommt seit der Spielzeit 93/94 insgesamt auf Einsparungen von 5,5 Mio. Mark. Von dem kleinen Spielraum, den die Oper für die Kunst hat, ist das eine ganze Menge.

Wo haben sie aus inhaltlichen Erwägungen nicht gespart?

Bei allen freien Kunstförder-ungstiteln, denn damit noch kulturelle Bewegung in der Stadt bleibt, müssen wir uns dieses Level, das wir uns mühsam erkämpft haben, erhalten. Bei Kampnagel sind 573.000 Mark mehr dazu gekommen, um Kampnagel eine neue Basis zu geben. Und etwas draufgelegt haben wir auch bei den Stadtteilkulturzentren, die eine unheimlich wichtige Arbeit leisten.

Wird die jetzige Sparsituation nicht dazu führen, daß kein künstlerisches Risiko mehr gewagt wird?

Nein das befürchte ich nicht. Das, was wir in den letzten Jahren erkämpft haben, ist ja nicht alles wieder zunichte gemacht. Wir sind mit dem Kopf über Wasser.

Fragen: Briegleb/Kossmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen