Tolpatschig springende Mimen

■ Eilfertig verspielte Lustbarkeiten im Innenhof: „La Venexiana“ auf der Bühne des Ägyptischen Museums

Eine italienische Komödie im Berliner Open-Air-Sommertheater – wie verlockend das klingt! „La Venexiana“ – Karneval in Venedig und Commedia dell'arte: was uns da nicht alles versprochen wird! Keine Frage: Ci andiamo!

„La Venexiana oder Der letzte Karneval von Venedig“, das Stück eines unbekannten Autors aus dem 16. Jahrhundert, präsentiert sich als deutsche Uraufführung im großen Stil. Mimen, Masken, Gesang, aufwendige Kostüme, eigens dafür komponierte Musik und so fort. Ein Projekt, das mit überschwenglicher Selbstsicherheit auftritt, gefördert vom Senat, von der „Sozialen Künstlerförderung freischaffender Berliner Künstler“, vom italienischen Kulturinstitut und von verschiedenen anderen Institutionen und Firmen, weswegen das Publikum auf Möbel- Hübner-Stühlen sitzt und gegen Abgabe der Eintrittskarte ein Lufthansa-Ticket gewinnen kann. Davon jedoch wird das Theater auch nicht besser.

Der Inhalt des auserkorenen Stückes wäre Stoff für eine zündende kritische Komödie: Zwei Damen der venezianischen Gesellschaft haben sich in einen durchreisenden, blondgelockten Jüngling verguckt und wollen ihn in ihrem jeweiligen Bett neben sich haben. Im Stück des Anonymus gelingt die Verführung beide Male – nicht jedoch den Schauspielern in dieser Inszenierung, die laut und polternd das spielen, von dem sie meinen, es gleiche einer Liebesszene.

Die spannende Grundmotivation der beiden Frauen – sich für die verbotene Lust den Gast zu schnappen, der wieder weiterreist und keine Scherereien macht – versandet im Laufe der Aufführung und übrig bleibt eine seltsam belanglose Macht-, Eifersuchts- und Verführungsgeschichte.

Die Übersetzung von Andreina de Martin hält nicht das, was sie im Programmheft verspricht: Die einzelnen Figuren durch ihre verschiedenen Sprechweisen zu charakterisieren, gelingt nur annähernd. Meist bleibt es beim groben sprachlichen und gestischen Schlagabtausch. An die – wenngleich grobe, so doch subtile – Improvisationskunst der Commedia dell'Arte erinnert dieses Gespringe und Geschlage nur wenig.

„Höre, lerne, vergiß!“, ist der Schlußsatz des Spektakels, der wahrhaftigste Satz des ganzen Abends. Nur, bei einem derartig geförderten Projekt fällt es uns schwer, das „vergiß“ einfach so schnell wörtlich zu nehmen.

In welcher Richtung weist da die Berliner Soziale Kunstförderung, deren Aufgabe es sein sollte, „jungen Künstlern den Start zu erleichtern, älteren die Weiterarbeit zu ermöglichen“? Wohin? Angesichts der über mehrere Seiten gehenden Stabliste dieser Mammutproduktion schleicht sich gar der Verdacht ein, es gehe vor allem darum, möglichst viele Leute zu beschäftigen. Die Bühne behält man als bewegten Raum in Erinnerung. Mit schnell versetzbaren Stoffbahnen werden Gassen und Häuser in Venedig simuliert. Doch auch diese an und für sich gelungene Idee wird durch tolpatschiges Springen der Mimen mit ihren schönen Masken beeinträchtigt.

Allzu plump, kitschig und folkloristisch ist dieses Theaterprojekt ausgefallen. Es erinnert einen im übelsten Sinne an verschiedenste bundesrepublikanische Sommertheater in der Provinz, wo man mehr wegen der Schlösser als wegen des Stückes hinfährt. Immerhin ist auch der Innenhof des Ägyptischen Museums in Berlin ganz schön. Margit Knapp Cazzola

„La Venexiana oder Der letzte Karneval von Venedig“ Inszenierung: Alberto Fortuzzi. Open-Air- Theater im Innenhof des Ägyptischen Museums, täglich außer Montag, 20.30 Uhr.