Der Friede ist am Fluß

■ Jordanien und Israel beginnen heute ihre bilateralen Friedensverhandlungen. Ein großes Thema wird die Wasserverteilung sein. Im arabisch-israelischen Konflikt hat stets der Kampf um die spärlichen Wasservorräte ...

Jordanien und Israel beginnen heute ihre bilateralen Friedensverhandlungen. Ein großes Thema wird die Wasserverteilung sein. Im arabisch-israelischen Konflikt hat stets der Kampf um die spärlichen Wasservorräte eine zentrale Rolle gespielt.

Der Friede ist im Fluß

Der Ort der Gespräche hätte nicht besser gewählt werden können: Die jordanischen und israelischen Delegierten werden sich an einem Ort im Wadi Araba gegenübersitzen – jenem Tal, durch das sich der Unterlauf des Jordans schlängelt. So werden die Gesprächspartner das wichtigste Objekt ihrer Verhandlungen unmittelbar vor Augen haben: Wasser.

„Wir decken einen großen Teil unseres Bedarfs mit Grundwasser ab. Das heißt, wir sind vom Himmel abhängig“, erläutert der jordanische Wasserexperte Ali Ghisawi. Doch der Himmel spendet den Bewohnern des Haschemitischen Königreichs viel zu wenig von der lebenswichtigen Flüssigkeit. Jährlich verbrauchen die JordanierInnen 470 Kubikmeter davon. Ghisawis Kollegen haben jedoch errechnet, daß Jordaniens Grundwasserreservoire langfristig nur eine jährliche Abpumpmenge von 270 Kubikmeter verkraften. Schon jetzt führt Jordaniens Wasserverbrauch zu Problemen. Der Pegel des Grundwassers ist abgesunken, und weil sich in den tieferen Schichten Süß- und Salzwasser vermischen, wird die Qualität des Trinkwassers immer schlechter.

Die andere Quelle Jordaniens bildet das in den Jordan fließende Regenwasser. Es wird zur Bewässerung der jordanischen Anbauflächen verwendet. Doch die Niederschläge in dem Wüstenstaat sind gering. Eine Studie des Wasserministeriums zeigt, daß das Land seit Jahren über weniger eigenes Wasser verfügt, als es braucht. Wenn sich nichts grundlegendes verändert, wird Jordanien demnach im Jahr 2000 ein Drittel seines Wassers importieren müssen.

Die Lösung für diese Probleme liegt für Jordaniens Ingenieure westlich der jetzigen Landesgrenze. In den arabisch-israelischen Kriegen von 1948 und 1967 besetzten israelische Soldaten jordanisches Territorium. Ein wichtiger Teil dieser Gebiete liegt im Süden zwischen dem Toten Meer und dem Golf von Akaba/Eilat. Die Region ist reich an Grundwasser, mit dem Israel Siedlungen und landwirtschaftliche Einrichtungen in der besetzten Westbank versorgt. Im Norden okkupiert Israel Gebiete entlang der Flüsse Jordan und Jarmuk, die beiden wichtigsten Wasserlieferanten Israels. Amman wirft der Regierung in Jerusalem vor, die lebensspendende Flüssigkeit zu „stehlen“.

Der Kampf um die Wasserrechte an beiden Flüssen spiegelt den Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarn wider. Auch in Israels Disput mit Syrien und dem Libanon geht es um das rare Naß. Die beschränkten Wasserreserven der Region können nicht die steigenden Bedürfnisse aller Staaten decken. Langfristig werden auch weit entfernte Reserven angezapft werden müssen. So ruhen in den Schubladen von Ingenieuren und Politikern Entwürfe für eine Wasserpipeline von der Türkei nach Israel und an den Golf.

„Laßt uns mit dem Jordan beginnen“, meint Muhammad Zafer von der jordanischen Verhandlungsdelegation. „Er ist ein heiliger Fluß. In der Bibel steht, daß Jesus von Johannes mit Jordanwasser getauft wurde.“ 77 Prozent seines Wassers und das seines Zuflusses Jarmuk entspringen laut Zafer arabischer Erde. Den bei weitem größten Anteil aber verbrauche Israel. Der Jarmuk ist für Zafer ein „rein arabischer Fluß“. Aber Israel kontrolliert seit 1948 seine Mündung in den Jordan. Mitte der fünfziger Jahre baute Jordanien mit US-Hilfe am Jarmuk ein Bewässerungsprojekt, um den nördlichen Teil des Jordantales landwirtschaftlich nutzen zu können. Das Wasser reicht, um 200 Quadratkilometer zu bewässern. Nutzbar wären jedoch nach jordanischen Angaben 360. Um mehr Wasser abzuzweigen, bevor es in israelisch kontrolliertes Gebiet entschwindet, müßten mehrere Dämme gebaut werden. Aber aufgrund des latenten Kriegszustandes in der Region weigerten sich internationale Organisationen, das Projekt zu finanzieren. „Wir wollten gemeinsam mit Syrien einen Damm bauen, durch den wir jährlich mindestens 125 Kubikmeter Wasser mehr hätten“, erläutert Zafer. Doch aufgrund israelischen Drucks habe sich die Weltbank geweigert, das Vorhaben abzusichern.

Die zweite umstrittene Wasserquelle liegt direkt am heutigen Verhandlungsort: das Wadi Araba. Die meisten dortigen Grundwasserreservoire hat Israel angezapft. „Wir wollen in den Verhandlungen eine gemeinsame Nutzung des Wassers durchsetzen“, erklärt Zafer. Natürlich leide auch Israel an Wasserknappheit, „aber Israel muß unsere Rechte anerkennen“. Eines der zu diskutierenden Projekte ist der Bau eines drei Milliarden Dollar teuren Kanals zwischen dem Toten und dem Roten Meer. „Wir haben bereits Entwürfe für den Bau. Es wird zehn Jahre dauern, bis der Kanal fertig ist“, erklärt Zafer. Erste Studien hätten ergeben, daß sich jährlich 500 Mio. Kubikmeter Wasser aus dem Kanal abzweigen und entsalzen ließen. Womit man zahlreiche landwirtschaftliche und touristische Projekte in beiden Staaten verwirklichen könnte. Zafer hofft auf Hilfe bei der Umsetzung des Projekts: „Wir hoffen, daß die internationale Gemeinschaft diesmal die Verantwortung übernimmt und den Kanal finanziert.“ Khalil Abied, Amman