■ Platz für Gäste
: Neue Regeln!

Immer noch sehe ich Baresis tränenüberströmtes Gesicht vor mir. Ich kann mir nicht helfen, aber wenn Männer weinen, irgendwo rührt einen so was doch an.

Zum erstenmal ist ein Weltmeister im Elfmeterschießen gekürt worden.

Obwohl Brasilien auch mein Favorit war, über so einen Sieg kann ich mich einfach nicht so richtig freuen.

Nicht, daß Brasiliens Erfolg unverdient war, doch nach einem Elfmeterschießen bleiben mir irgendwie immer vor allem die Verlierer in Erinnerung. „Aber“, werden einige sagen, „es muß doch eine Entscheidung fallen.“

Mag sein, aber hat es nicht bei dieser WM so viele schöne neue Regeln gegeben? Da muß es doch auch möglich sein, eine Alternative zur vermaledeiten Strafstoßlotterie zu finden. Ich hätte da zwei Vorschläge. Variante eins, die „Abrüstungsregel“:

Sollte es nach 120 Minuten unentschieden stehen, müssen beide Mannschaften je einen Spieler vom Feld nehmen. Dann wird weitergespielt. Ist nach fünf Minuten wieder nichts passiert, verlieren beide Teams erneut einen Spieler, nach weiteren fünf Minuten den dritten, später den vierten, den fünften und so weiter, bis eine Entscheidung fällt. So wäre es bald vorbei mit der „vielbeinigen Abwehr“, und spätestens, wenn am Sonntag nur noch Pagliuca, Baggio, Taffarel und Romario übriggeblieben wären, hätte es die Torchancen nur so gehagelt.

Wem dieser Vorschlag zu darwinistisch ist, dem sei Variante zwei ans Herz gelegt. Die „Keiner-kann-hinterher- sagen-er-hätte-von-nichts- gewußt-Regel“:

Sie besteht schlicht darin, daß das Elfmeterschießen nach 90 Minuten, vor der Verlängerung ausgetragen wird. Danach ist 30 Minuten Zeit, die Begegnung aus dem Spiel heraus zu entscheiden.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Das dem Spiel immer so guttuende frühe Tor, wäre (zumindest in der Verlängerung) quasi automatisch gefallen. Eine der Mannschaften müßte voll auf Sieg spielen. Die Taktiererei hätte ein Ende, und die dann hochmotivierten Spieler, die ihren Strafstoß verschossen haben, bekämen eine Möglichkeit, diesen ärgerlichen Fehler wettzumachen. So oder so ähnlich könnte ich mir das in vier Jahren vorstellen. Und wenn's nicht so ist, ist's auch egal. Gucken werd ich nämlich sowieso. Horst Evers

Der Autor schreibt Texte für sich und mehrere Kabaretts.