: Kammer entlastet sich selber
■ Immobilien an Sparkasse verpfändet / Jahresbericht gebilligt
Mit langen Erklärungen begann am Montag abend die „Vollversammlung“, das Aufsichtsgremium der Angestelltenkammer: Präsidentin Irmtrud Gläser stellte fest, in der Tochterfirma der Kammer, dem bbi, seien „unfähige und verantwortungslose Personen am Werk“ gewesen. Wenn die Kammer das bbi jetzt nicht Konkurs gehen lassen wolle – was noch teurer werden könne –, müsse man mit 3,5 Millionen die bbi-Schulden und die Sozialplankosten übernehmen. Am Ende eines stillen Liquidationsprozesses soll das bbi der kammereigenen Wirtschafts- und Sozialakademie zugeschlagen werden.
Bernhard Baumeister, ehemaliger Präsident der Kammer, übernahm für die fehlende Durchsetzung von Kostenkontrolle beim bbi im Jahre 1993 die Verantwortung. Scharf wies er die Behauptung des Kammer-Geschäftsführers Fehrmann zurück, er habe im Herbst 1993 die bbi-Geschäftsführung rausschmeißen wollen, das hätten die DGB-Vertreter im Kammer-Vorstand aber verhindert, um den Kammer-Wahlkampf mit dem Thema nicht zu belasten. Fehrmann hatte dies im Juni 1994 behauptet. Nachdem ihn die DGB-Mehrheit deshalb beinahe selbst rausgeschmissen hätte, schweigt Fehrmann nun dazu.
Mit 11 von 21 Mitgliedern war die „Vollversammlung“ gerade beschlußfähig – die DAG war der Sitzung ferngeblieben. Anwesende Journalisten bekamen so einen Vorgeschmack darauf, was „Kammer ohne Opposition“ heißt. Der gewerkschaftsintern seit Wochen heftig debattierte Vorstoß der IG Metall, Arbeiter- und Angestelltenkammer zusammenzulegen, wurde mit keinem Wort angesprochen.
Alle Anträge, die gestellt wurden, waren offenkundig in einer Fraktionssitzung vorbereitet und gingen ohne große Debatte mit 11:0 durch. Einstimmig wurde der Jahresabschluß der Kammer gebilligt. Einstimmig wurden die Immobilien der Kammer für die Sanierung des bbi mit einem Kredit von 3,5 Mio belastet. Einstimmig wurden für Schulden der Kammer selbst die Immobilien in Höhe von 3,5 Mio an die Sparkasse verpfändet. Die Kammer behält – nun mit Zustimmung der „Vollversammlung“ – gleichzeitig einen Überziehungsrahmen von zwei Millionen auf ihrem Girokonto. Im Jahre 1993 hatte die Sparkasse 156.000 Mark Zinsen allein für Kontoüberziehungen der Kammer kassiert – bei einem angenommenen Zinsssatz von 11,5 Prozent bedeutet das, daß die Geschäftsführung das ganze Jahr über einen Minus-Kontostand von weit mehr als einer Million hingenommen hatte. Hinzu kamen „normale“ Zinsen – in der Summe führte die Kammer 485.000 Mark an die Sparkasse ab.
Von den drei Revisoren war einer da. Er berichtete, eine Einzelbelegprüfung habe nicht stattgefunden, das solle später nachgeholt werden. Er empfahl, den Vorstand zu entlasten. Die anderen beiden Revisoren, die mehr von der Sache verstehen, hatten sich seiner Empfehlung nicht angeschlossen. Mit 11:0 entlastete die „Vollversammlung“ ihren Vorstand. K.W.
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