Massenmörder als Widerstandskämpfer

■ Die gestern von Volker Rühe eröffnete Ausstellung „Aufstand des Gewissens“ verklärt die Männer des 20. Juli 1944

Schlagt den Juden-Kommissar. Seine Fresse schreit nach einem Ziegelstein. Dieser Satz ist ein Tagesbefehl des Oberbefehlshabers der 4. Panzerarmee, Erich Hoepner, aus dem Jahre 1941 an seine vor Moskau stehenden Soldaten. Den Überfall auf die Sowjetunion hatte er schon zuvor weltanschaulich begründet. Es ist der alte Kampf der Germanen gegen das Sklaventum, die Verteidigung europäischer Kultur gegen moskowitisch-asiatische Überschwemmung, die Abwehr des jüdischen Bolschewismus.

Solche Zitate lassen sich, wenn man das militärische Wirken der Männer des 20. Juli 1944 genauer ansieht, zu Hunderten finden. Weil sie aber trotzdem irgendwann den Mut fanden, sich gegen Hitler zu stellen, gelten sie als Widerständler – nicht zu Unrecht. Wenn diese Fakten aber, wie in der vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Potsdam erstellten und gestern vom Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) eröffneten Ausstellung „Aufstand des Gewissens“ verschwiegen werden und Hoepner als genuiner Widerstandskämpfer schon seit 1938 dargestellt wird, ist das Geschichtsverfälschung. Die Offiziere des 20. Juli „haben Deutschland die Ehre und Würde wiedergegeben, die die Nazi-Verbrecher unserem Land geraubt hatten“, erklärte Volker Rühe vor vielen geladenen Gästen mit und ohne Orden. Und die Bundeswehr stehe in der Tradition dieser Widerstandskämpfer, vor allem seit das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe jüngst Out-of- area-Einsätze für rechtmäßig erklärt hat.

Ein Out-of-area-Einsatz ganz besonderer Qualität leistete auch der Leiter des Reichskriminalamtes und erste Chef der Einsatzgruppe B der Sicherheitspolizei, Arthur Nebe. Dessen Porträt hängt – als Mann, der ebenfalls schon 1938 den Staatsstreich mitplante – an sehr prominenter Stelle der Ausstellung. Im erklärenden Text dazu heißt es, daß er wegen der Machenschaften der SA schon frühzeitig zum „Regimegegner“ wurde. Genau dieser Arthur Nebe aber war ein Massenmörder. Ende 1941 meldete er nach Berlin, daß die Einsatzgruppe B 45.467 Menschen liquidiert hat. Überflüssig zu sagen, daß die Verbindung Nebes zum SD auf den Texttafeln mit keinem Wort erwähnt wird. Durch die Adelung Nebes zum Widerstandskämpfer wird er in der Ausstellung genau wie Graf von Stauffenberg zu einem Mann „moralischer Kraft und Charakterstärke“, kurzum zu einem Vorbild für die Bundeswehr und ganz Deutschland.

Deutlich wird dies, wenn man sich den Streit um den kommunistischen Widerstand in Erinnerung ruft. Die Formen des Widerstandes müssen an „unverzichtbaren Wertmaßstäben“ gemessen werden, sagte Minister Rühe in seiner Rede. Und weil die kommunistischen Hitlergegner wie Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck später in Deutschland eine „zweite Diktatur“ errichtet haben, will die Bundeswehr „diesen Namen kein ehrendes Gedenken bewahren“. In der Ausstellung hängt trotzdem Ulbrichts Bild. Da steht er als Agitator des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ im Schützengraben vor Stalingrad und versucht per Megaphon deutsche Soldaten zum Überlaufen zu bewegen. Und über dieses Kapitel Nationalkomitee und „Bund Deutscher Offiziere“ findet sich die einzige moralische Wertung dieser ganz und gar fast die gesamte Generalität entlastenden Ausstellung: „Mit Sicherheit haben viele der Mitglieder diesen Organisationen aus ideellen Gründen angehört, wenngleich auch zahlreiche Opportunisten dabei waren.“ Anita Kugler

Die Ausstellung ist bis zum 5. August im sogenannten Bendler- Block zu besichtigen, danach geht sie nach Leipzig, Erfurt, Bremen und Kaiserslautern