Konstruktive Oppositionspolitik

■ Der CDU-Politiker Jürgen Scharf zur Minderheitsregierung

taz: Herr Scharf, ist der zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen ausgehandelte Koalitionsvertrag die strategische Grundlage der von Ihnen befürchteten Volksfrontpolitik?

Jürgen Scharf: Das weiß ich nicht. Der Koalitionsvertrag ist grob formuliert. Man hat versucht, sich nicht allzusehr festzulegen. Vielleicht, um hinterher nach mehreren Seiten hin verhandeln zu können. Ein anderes Motiv sehe ich nicht. Es sind schon einige „Leckerbissen“ für uns in dem Koalitionsvertrag formuliert.

Lesen Sie in dem Vertrag denn auch die Handschrift der PDS?

Nein. Es hat wohl auch keine direkten Absprachen mit der PDS gegeben, wohl weil man die Offenlegung solcher Verabredungen fürchtete. Die PDS hat sich ja immer wieder beklagt, daß man mit ihr nicht gesprochen hat.

Werden Sie gegenüber einer zukünftigen rot-grünen Minderheitsregierung den Weg der Fundamentalopposition beschreiten, oder werden Sie einzelnen Regierungsprojekten auch zustimmen?

Das Wort Fundamentalopposition habe ich nie in den Mund genommen. Wir werden eine deutliche, kritische und konstruktive Oppositionspolitik machen. Wir werden grundsätzlich der Politik der Minderheitsregierung nicht zustimmen. Jedoch wird es Einzelfragen geben, in denen wir von dieser Linie abweichen.

Wird Herr Höppner noch im Laufe dieser Woche zum Ministerpräsidenten gewählt?

Wir werden uns mit aller Macht dagegen wenden, daß am Donnerstag ein Durchmarsch gemacht wird. Wir meinen, daß die Landesverfassung nicht so zu interpretieren ist, daß ohne Denkpausen alle Wahlgänge, inklusive der Abstimmung über die Selbstauflösung des Landtages, an einem Tage durchgepeitscht werden sollen.

Aber die Verfassung würde es durchaus ermöglichen, alle erforderlichen Wahlgänge an einem oder zwei Tagen durchzuführen.

Die SPD hat vor, an einem Tag alles durchzustimmen.

Wird Herr Höppner erst im dritten Wahlgang gewählt, braucht er nicht die Unterstützung der PDS, die Sie ihm immer vorhalten.

Ich denke, daß mittelbar die Unterstützung der PDS immer deutlich wird. Die PDS hat immer gesagt, daß Sie Herrn Höppner haben möchte, aber sie ist verärgert, weil der nicht so deutlich mit ihr spricht, wie sie es gerne hätte.

Worin besteht denn die Unterstützung durch die PDS, wenn diese sich der Stimme enthält?

Weil Sie den Weg zur Wahl eines Minderheits-Ministerpräsidenten frei gemacht hat und weil die Idee einer rot-grünen Minderheitsregierung unter Duldung der PDS ja eine Idee der PDS ist.

Wann wird der nächste sachsen- anhaltinische Landtag gewählt werden?

Das weiß ich nicht. Wenn ein Ministerpräsident nicht mit der absoluten Mehrheit gewählt werden kann, werden wir mit ziemlicher Sicherheit für die Auflösung des Landtages plädieren. Wird dem nicht gefolgt, wird unsere Hauptaufgabe sein, diese Minderheitsregierung abzulösen. Wie man das macht, muß man sehen.

Eine zeitliche Prognose wollen Sie nicht geben?

Nein.

Interview: Dieter Rulff