■ Mit dem Rinderwahnsinn auf du und du
: Rindfleisch, ade!

Berlin (taz) – Horst Seehofer ist ein Heuchler. Monatelang hat der Bundesgesundheitsminister gar nicht laut genug vor dem Rinderwahnsinn BSE und den damit verbundenen Gefahren durch britisches Rindfleisch warnen können. Jetzt ist er aus politischem Kalkül umgefallen (siehe taz von gestern). Er sei „zutiefst zufrieden“ mit den vereinbarten EU-Handelsbeschränkungen, weil dadurch eine „schnelle, dauerhafte und wirkungsvolle Vorsorge“ gegen die weitere Verbreitung der Seuche getroffen werde.

Seehofer weiß, daß das Unfug ist. Von Vorsorge kann überhaupt keine Rede sein. Die Verschärfungen der Exportbestimmungen – Großbritannien darf nur Fleisch aus Beständen, die sechs Jahre BSE-frei sind, oder reines Muskelfleisch aus BSE-verseuchten Beständen exportieren – dienen lediglich der Kosmetik. Selbst dafür hat die EU jahrelang gebraucht, denn die Seuche ist seit 1986 bekannt. Die britische Regierung hat seitdem alles unternommen, um die Angelegenheit herunterzuspielen, doch bis heute weiß niemand, ob die Krankheit auf den Menschen übertragbar ist. Den Versicherungen aus London ist dabei nicht zu trauen, basierten die britischen Prognosen doch stets auf politischen Gesichtspunkten statt wissenschaftlichen Erkenntnissen und erwiesen sich meist als falsch.

Seehofer hat sich dieser Taktik nun offenbar angeschlossen – politische Deals, die in mehr als 30 Geheimsitzungen in Brüssel ausgehandelt wurden, sind eben wichtiger als Verbraucherschutz. Oder will uns der Minister weismachen, daß im Schlachthaus künftig unter klinischen Bedingungen mit Skalpell gearbeitet wird, um das „gefährliche Gewebe“ zu entfernen? Darüber hinaus gehen zahlreiche Wissenschaftler davon aus, daß auch das Muskelfleisch in geringer Menge den Erreger enthält, der im menschlichen Körper akkumuliert werden kann.

Die Tatsache, daß eine Herde sechs Jahre BSE-frei ist, heißt nicht, daß man die Tiere unbedenklich verzehren kann. Erstens beträgt die Inkubationszeit bis zu sieben Jahre, zweitens findet eine vertikale Übertragung von der Mutterkuh auf das Kalb statt. Das räumt inzwischen sogar die britische Regierung ein. Kälber bis zu sechs Monaten dürfen aber nach wie vor exportiert werden. Hinzu kommt, daß britische Rinder oft Umwege über andere EU-Länder, häufig die Niederlande, nehmen und dabei manchmal auch ihre Nationalität wechseln, so daß die Devise für VerbraucherInnen nur lauten kann: Hände weg vom Rindfleisch! Ralf Sotscheck